Lissabon

… als plötzlich der größte Theil der Stadt, mit einem Gekrache, als ob das Firmament einstürzte, versank, und alles, was Leben athmete, unter seinen Trümmern begrub.

H. v. Kleist, Das Erdbeben von Chili, 1810

Die Bedeutung verwaltungstechnischer Stanzungen lässt sich exemplarisch an den bürokratischen Nachbeben der Katastrophe von Lissabon (Erdbeben inkl. Tsunami und Feuersturm) 1755 ermessen. Während man in Europa mit den paar Theodizeeproblemen beschäftigt war (Kant, Lessing, v.a. Voltaire et al.), gewann das Pouvoir des Außen- und alsbald Ersten Ministers Carvalho e Melo (späterhin aka Marquês de Pombal) durch sein umsichtiges, an Kulturtechniken der Verwaltung und pragmatischem Aufklärungsdenken geschultes Krisenmanagement, das er mit langem Atem durchhielt, derart Gewicht, dass er (einige machiavellistische Atouts aus dem Ärmel zaubernd) die Macht des Adels und der Kirche Schritt um Schritt reduzieren konnte. Die Umsetzung der vielfältigen Reformen, betreffend das Gesellschafts-, Bildungs- und Wirtschaftssystems bis weit in die Kolonien hinein, basierten wesentlich auf bürokratischen Techniken und Medien. Mit anderen Worten: Als der eine Gott sich zur milden Überraschung aller doch nicht als umsichtiger Verwalter der besten aller Welten und Naturverfassungen erwiesen hatte, übernahm die Bürokratie, baute nicht nur Lissabon wieder auf, sondern reformierte das Reich in toto (das nächste Unglück im Land des Fado begab sich dann erst 1777, als dem König eine Tochter auf den Thron folgte, die der adelig-katholischen Bigotterie erneut den Hof machte, den Marquês entmachtete und die Reformarbeit weitgehend vernichten ließ).