Zitteraal

Physische Note über den Zitteraal

Der Zitterfisch war gleichsam der erste Paragraph [1], der magnetische und elektrische Materie verband, da er (nach Hunter) zugleich positiv und negativ elektrisch ist und ordentliche Batterien an sich hat, und da er, wie die Aale, Neunaugen, Quappen, Schleien, Karauschen, am Magnet erlahmt. Vielleicht wird der Fisch auf eine bessere Art als der Fisch Oannes – der, nach einem Fragment des Berosus, alle Wissenschaften den Menschen gab – der Lehrer der Physik, da an ihm in dieser Materie wegen der Einfachheit der Kombinationen leichter etwas zu lernen ist als am magnetisierten Menschen, so wie ich eben darum glaube, daß die Pflanzenuns mehr Fensterläden und Fenstervorhänge am Lehrgebäude der Erzeugungöffnen können als die niedern Tiere, und diese mehr als wir. So wird die tierische Elektrizität der Fackelträger des tierischen Magnetismus werden.
Ich habe mich oft geärgert, daß die Physiker meistens nur sehenund lesen, anstatt das Gelesene und Gesehene zu kombinieren; noch mehr aber über die Naturgeschichtsschreiber, um deren Köpfe oft mehr Heiligenschein ist als wissenschaftlicher innen, weil sie, bei ihrer Einschränkung auf einenAst und Blattstiel ihrer Wissenschaft, so leicht ihrem optischen und mikroskopischen Fleiße den Schein des Scharfsinns zu erteilen wissen. – Ich würde mich schämen, wenn ich vor Franklin ein großer Physiker gewesen wäre; – denn ich würde dann so gut wie andere zu meiner Schande die Witterung und die Gewitter beleuchtet und erkläret haben ohne das Licht der elektrischen Materie. Und so steht jetzt ein Montblanc von aufgehäuften elektrischen Erfahrungen vor allen Kathedern, und allen fehlet noch das Senfkorn des Glaubens zum Heben des Bergs.
Ich habe zuweilen gewünscht, man sollte nach nichts fragen, sondern die physikalischen Data ordentlich zusammenwürfeln und kombinieren wie Lessing die philosophischen oder andere die Musiknoten. Man würde doch sehen, was herauskäme, wenn man z.B. den Zitterfisch an desorganisierte Menschen, an Gewitterstangen, an Magnetnadeln vor- und nachmittags (weil sie nach den Tagszeiten verschieden deklinieren) hielte – oder wenn man in Hinsicht der elektrischen Fische bedächte, daß das Wasser ein Leiter und ein Leidenscher Kondensator ist, daß die Fische in einem vom Blitz getroffnen Teiche sterben und also sich so kalt anfühlen wie ein isolierter Mensch, den einer außer Rapport berührt. – – – Kurz ein Physiker sollte wie der Arzt wenig schreiben, wenn er nicht so viel wissenschaftlichen Witz zu physikalischen Kombinationen hätte als – Lichtenberg, und dieser sollte seines Orts wieder mehr schreiben. –
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[1] Der zweite oder zwanzigste wäre der Demant, den der Magnet zieht und der, gerieben, selber den Mastix zieht und der aus dem Orient ein Nichtleiter ist, und aus Brasilien ein Leiter.

Jean Paul: Physische Note über den Zitteraal. In: Ders.: Leben des Quintus Fixlein. In: Ders.: Sämtliche Werke, Abt. I, Bd. 4: Kleinere erzählende Schriften 1796–1801. Hg. v. Norbert Miller. München: Hanser 1962 (späterhin Frankfurt/M.: Zweitausendeins 1996), S. 224f.