Panem et circenses

In seiner verblasenen Unwissenheit sieht der Intellektuelle den Fußballspieler an und sagt: Ja Training! Ja Schmecks! sag ich ihm in solchen Fällen. Trainieren Sie erst mal oder lassen Sie Ihr auch im Sport diätetisch wohlaufgezogenes Söhnchen trainieren und bald werden Sie eingesehen haben, daß auch hier die Voraussetzung eben die Begabung sei, die Ausnahme, das Talent. Und das allein macht es noch lange nicht. Wie überall, ist auch hier die ungewöhnliche Leistung eine Folge von Talent, Wille, Arbeit, Disziplin, Mut, Wachsamkeit, Selbsteinschränkung, Erfahrung und allen anderen moralischen Qualitäten. Auch die Spielregeln haben ihre Moral, und nicht bloß Beinbrüche bedrohen den Weg, auf dem man sich in die erste Reihe spielt. Aber dieser Weg! Der Weg darf im Grund gleichgültig sein. Daß einer bis zu seinen Grenzen geht, das macht den Kerl.
Unser Fußballspieler treibt sein Spiel als ein Professional. Dennoch hat er seinen Beruf. Er ist Bäcker. In den Nächten bäckt er Brot an den Nachmittagen spielt er uns vor. Er liefert uns panem et circenses. Die römischen Caesaren konnten panem sowohl wie auch circenses doch nur liefern lassen. […]

Soma Morgenstern: Kleinaufnahmen – Der Fußballspieler. In: FZ Nr. 653 v. 2.9.1931 [Abendblatt], p.1