Kitchentaylorism 1927

Frankfurter Küche. Hauswirtschaft und Häuserbau

Abb. aus 1926

Der Wunsch nach bequemer, dem heutigen Stande der Technik angepaßter Haushaltsführung ist allgemein geworden. Die Zahl der Frauen steigt ständig, die sich dagegen auflehnen, daß gerade nur auf ihrem Arbeitsgebiet die Arbeitsmethoden noch so veraltet sind wie zu Großmutters Zeiten. Denn mit Ausnahme des Gasherdes hat sich in der Wiener Küche recht wenig geändert.

Es wird unsere Leserinnen deshalb sehr interessieren zu erfahren, daß in Frankfurt am Main der Versuch gemacht wird, eine wirklich großzügige Modernisierung der privaten Kleinküche durchzuführen. Darüber schreibt Architektin Grete Lihotzky einen lesenswerten Artikel in der Zeitschrift »Wohnungswirtschaft«:

»Es ist die unbedingte Pflicht aller großen bauenden Körperschaften vor allem der Städte, die im großen Umfang Wohnungen errichten, die neuen Forderungen arbeitsparender Haushaltsführung zu berücksichtigen. Die Stadt Frankfurt am Main hat das große Verdienst, die komplette Einrichtung aller Küchen bereits in den Wohnungen des Wohnbauprogramms 1926 nach den Erfahrungen rationeller Haushaltsführung durchgeführt zu haben.«

Die Frankfurter Küche wendet »die Prinzipien der Schritt- und Griffersparnisse auf den Haushalt an. Sie enthält alle für den normalen Haushalt notwendigen Einrichtungsgegenstände: Topf- und Vorratsschrank mit 18 Aluminiumschubladen, einen Geschirrschrank, einen Arbeitstisch mit Rinne für Küchenabfälle, Ablaufbrett, Ablaufgestell, Speiseschrank, Spültisch mit zwei Becken aus Nickelin mit Asbestisolierung, ein von der Wand herunterklappbares Bügelbrett, Herd mit Asbestplatte, Kochkiste, Schubladen für Mehl und Salz neben dem Herd, zehn gewöhnliche Schubladen, einen Abfallschrank, der sowohl von der Küche als vom Gang zu bedienen ist, ein Gewürzgestell, eine Schiebelampe und einen Drehstuhl.

Durch strenge Normierung der einzelnen Elemente und Bestandteile wie Türen, Schubladen usw. werden die Kosten einer solchen eingebauten Einrichtung bei Massenherstellung so gering, daß sich die Baukosten pro Kubikmeter umbauten Raumes durch die Einrichtung der Küche, durchschnittlich um eine Mark erhöhen.«

Wie wichtig die richtige Anordnung und Raumausnützung der Küche für eine schnelle, klaglose und bequeme Speisenzubereitung ist, zeigt der Küchenwagen auf der Eisenbahn. Die große Arbeit in der kurzen Spanne Zeit ist in der Speisewagenküche nur deshalb zu bewältigen, weil sie klein ist und ihre Anordnung auch nicht einen einzigen unnötigen Griff oder Schritt verursacht. Diese Küchen und Anrichten sind gewöhnlich zwei Meter im Quadrat und dennoch – nein, deshalb! – werden auf einer Fahrt im Durchschnitt 186 Mittagessen, 6o Abendessen, 6o Frühstücke außer den vielen kleinen Bestellungen an weit über 400 Gäste verabreicht. Die gewöhnliche Küche normaler Größen beansprucht für den zehnten Teil der Arbeit gewöhnlich den doppelten Raum.

Solche Küchen mit durchweg eingebauten Möbeln und allen neuzeitlichen Einrichtungen sind ein wahrer Segen für die Hausfrau, die einen großen Teil der Zeit, die sie sonst an Herd und Wirtschaftstisch verbringen müßte, anderen Beschäftigungen zuwenden kann.

(Quelle: Das Kleine Blatt, 23. Juli 1927)