Schreibmaschinen eines »Schlosses«

Tuttle oder Buttle?

Wenn mit dem bekannten Nietzsche-Verdikt »unser Schreibzeug mit an unseren Gedanken [arbeitet]« (Nietzsche, 02/1882 – als Typoskript gehämmert, cf. hier), lässt sich dies umso mehr für mediale Apparate wie Verwaltungsbehörden und Büros annehmen. Dies schließt auch die Verwandlungen nicht ein, wenn eine zweite Person mit im Spiel ist: Es wird »nicht laut diktiert, man merkt kaum, daß diktiert wird, vielmehr scheint der Beamte zu lesen wie früher, nur daß er dabei auch noch flüstert und der Schreiber hört’s«. (Kafka, Das Schloss) Zwölf Jahre zuvor hatte Alfred Weber noch gewarnt, nicht »daß sie vergessen sich von dem Apparat zu distanzieren, – daß sie vielmehr beginnen, das Leben, das er ihnen bietet, für das Leben, die eingeschränkte arbeitsteilige und befohlene Leistung, die er ihnen zuweist, für die Leistung, das Interesse an dieser Leistung und das Vorwärtskommen durch sie im Mechanismus für das Interesse ihres Lebens und den toten leeren Geist des Apparates für den Geist der Zeit zu halten.« (Alfred Weber, Der Beamte, 1910) – aber gerade Kafka, der ihn gelesen haben dürfte, schätzt eben diese Entfremdung, wie er ausgerechnet an Felice Bauer, die im Büro einer Berliner Parlographen-Firma arbeitet, schreibt: »Ich habe vielerlei zu unterschreiben, aber jede vermiedene Unterschrift scheint mir ein Gewinn, ich unterschreibe auch alles (trotzdem es eigentlich nicht sein darf) nur mit FK, als könne mich das entlasten, deshalb fühle ich mich in allen Bureausachen so zur Schreibmaschine hingezogen, weil ihre Arbeit, gar durch die Hand des Schreibmaschinisten ausgeführt, so anonym ist.« (Kafka an Bauer, 12/1912) Denn er ist »glücklich (falls ich in Ausnahmefällen nicht selbst auf der Maschine schreibe), einem lebendigen Menschen diktieren zu können (das ist meine Hauptarbeit), der hie und da, wenn mir gerade nichts einfällt, ein wenig einnickt oder der sich hie und da ein wenig ausstreckt oder die Pfeife anzündet und mich unterdessen ruhig aus dem Fenster schauen läßt«. (Kafka an Bauer, 11/1912)

Kittlers Befund zu diesem Umbruch in der Handhabung von Medien war klar: »Die Schreib-maschine verhüllt das Wesen des Schreibens und der Schrift. Sie entzieht dem Menschen den Wesensrang der Hand, ohne daß der Mensch diesen Entzug gebührend erfährt und erkennt, daß sich hier bereits ein Wandel des Bezugs des Seins zum Wesen des Menschen ereignet hat.« (Kittler, Grammophon Film Typewriter, 1986)

Es ist, noch einmal, ausgerechnet Kafka, der im »Verschollenen«-Roman – ganz ohne Schreibmaschine – den Anschluss des Büromaschinisten an den Datenstrom, sozusagen eine Schnittstelle offenlegt: »Der Onkel öffnete die nächste dieser Türen und man sah dort im sprühenden elektrischen Licht einen Angestellten gleichgültig gegen jedes Geräusch der Türe, den Kopf eingespannt in ein Stahlband, das ihm die Hörmuscheln an die Ohren drückte. Der rechte Arm lag auf einem Tischchen, als wäre er besonders schwer und nur die Finger, welche den Bleistift hielten, zuckten unmenschlich gleichmäßig und rasch.« Hier lässt sich die absichtsvolle Herbeiführung eines steten Rauschens, zugleich die systematische Durchforstung desselben und das Ordnungschaffen darin herausstreichen, denn »die gleichen Meldungen, wie sie dieser Mann aufnahm, wurden noch von zwei anderen Angestellten gleichzeitig aufgenommen und dann verglichen, so daß Irrtümer möglichst ausgeschlossen waren. […] Mitten durch den Saal war ein beständiger Verkehr von hin und her gejagten Leuten«.