Aus der Einleitung eines zum Druck beförderten Aufsatzes betreffend »Aktenzeichen MoE«:
Jeder, der Krieg betreibt, braucht Erzählungen, Lieder und Bilder; er benötigt unterschiedliche mediale Formate, um die eigenen Narrative gegenüber jenen des Gegners in Stellung zu bringen und durchzusetzen. Das war und bleibt so, während der Jahrtausende und Jahrhunderte änderten sich so wie die Waffensysteme auch die Informations- und Speicherformate; mit diesen Entwicklungen erfuhren wiederum Komplexität und Organisationsgrad der mehr oder weniger unmittelbaren Berichterstattung vom Krieg einen Wandel: Zwischen der antiken Teichoskopie und der Manipulation von Information in Echtzeit liegen nicht wenige Kulturräume und -zeiten. So wie ›der Krieg‹ seine vermittelnden Darstellungsformen erfuhr, bedurfte er neben Anlass gebenden Bezugssystemen, Vermögenswerten, Kriegern, Waffen, Bereitschaft zum Mord, Nachschub, Befehls- und Verständigungsketten als Parallelstruktur auch zumindest irgendeiner Form der Verwaltung, die Güter und Informationskanäle sicherstellte.
Im Ersten Weltkrieg erfahren diese Anstrengungen und Erfahrungswerte, die über viele Jahrhunderte gesammelt wurden, eine bis dahin nicht gekannte Akkumulation an Kräften; es entsteht – teils aus reiner Notwendigkeit und Zufall und weniger aus strukturierter Planung heraus – eine völlig neue Form der Verschaltung von Handlungsfeldern und Subsystemen. So unterhielten etwa mit Fortdauer des Krieges bald alle kriegsführenden Mächte Informationssysteme und manipulierten die öffentliche Meinung nach Kräften. Am Beispiel des »k.u.k. Kriegspressequartiers« (der weltweit ersten Einrichtung dieser Art) erweist sich exemplarisch, mit welcher Ahnungslosigkeit – und zugleich: umfassenden Wirkung – Medien erstmals, per Anordnung der Militärbürokratie, tatsächlich zu Medienverbünden verschaltet wurden. Dabei konnte auf einer Verwaltung mit jahrhundertelanger Tradition und zugleich Entwicklung aufgesetzt werden – einem System der Bürokratie und des Interessensausgleichs, das längst auch sämtliche militärische Strukturen einschließlich ihrer Truppenkörper vereinnahmt hatte; da wie dort geht es wesentlich auch um Erregung, Impulskontrolle und Übertragung.
Eliten der österreichisch-ungarischen Bürokratie waren wesentlich und willentlich an der Auslösung des Ersten Weltkriegs beteiligt, weshalb Medien, Verwaltung sowie deren Schaltkreise schon umfassend zur Stelle waren, als der Krieg mit der Übertragung eines Telegramms aus dem »k. u. k. Hoftelegraphenamt« – in der Hofburg zwischen Amalienhof, Schauflergasse und Franzens Platz (heute Innerer Burghof) gelegen –, auf Veranlassung des »k. und k. Ministeriums des kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äußern«, ein- und mehr als bloß die Monarchie unter Strom setzte.