In Shannons allgemeinem Modell eines Kommunikationssystems sind fünf Elemente miteinander verschaltet: erstens eine Datenquelle, die die Nachricht abgibt, zweitens ein oder mehrere Sender, die die Nachricht nach den Regeln eines verabredeten Codes derart in Signale übersetzen, daß das System sie überhaupt übertragen kann, drittens ein Kanal, der diese Übertragung (mit mehr oder weniger Verlusten) tatsächlich durchführt, viertens ein oder mehrere Empfänger, die das Signal tunlichst umgekehrt oder invers zum Sender behandeln, also die Nachricht aus dem eingegangenen Signalfluß wieder rekonstruieren oder decodieren, und fünftens schließlich gibt es eine oder mehrere Datensenken, an die, wie Shannon schreibt, die Nachricht adressiert ist. Was das für Wesen sind, die als Datenquellen eine Nachricht zu übermitteln und als Datensenken eine Nachricht entgegenzunehmen haben, also zum Beispiel Menschen oder Götter oder technische Geräte, kann der mathematischen Kommunikationstheorie dabei vollkommen gleichgültig sein. Sie fragt im Unterschied zur traditionellen Philosophie und auch Literaturwissenschaft nicht nach irgendwelchen Wesen, für die die Nachricht, wie man sagt, Sinn oder Bedeutung hat, sondern erreicht ihre Allgemeinheit gerade dadurch, daß sie Sinn und Bedeutung ignoriert, um stattdessen den internen Mechanismus der Kommunikation zu klären. Das sieht auf den ersten Blick wie eine Einbuße aus; aber es dürfte gerade die Unabhängigkeit gegenüber jedem Sinn oder Kontext gewesen sein, die die technische Kommunikation von den Alltagssprachen, die ja notwendig kontextuell sind, emanzipiert und zu ihrem weltweiten Siegeszug geführt hat. Wenn Shannon ausdrücklich sagt, daß man für ewige Wahrheiten, sei es der Mathematik oder auch, wie ich hinzufügen möchte, der Religion, gar kein Kommunikationssystem braucht, weil solche Wahrheiten ja ganz ohne technische Übertragung an verschiedensten Orten und Zeiten immer wieder reproduzierbar sein müßten, wird der Abschied des Medienwesens von aller alltagssprachlichen Gläubigkeit erschreckend klar.
Friedrich Kittler: Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999. Berlin: Merve 2002, S. 43f.