Über Lawinen kann ich eine Viertelstunde lang reden, ohne aufzuhören; aber für heute nur so viel […], daß die Unmöglichkeit, sich eine ausreichende Vorstellung von diesen männerverzehrenden Sphinxen zu machen, eben zu ihrem Wesen gehört […]. Ich habe schon viele Lawinen mitgemacht und mich dabei einigemal in unmittelbarer Todesnähe befunden, aber noch immer eine beinahe erotische Neugierde für diese vielartigen Erlebnisse bewahrt die jedesmal anders sind, bis ich sie einmal in einer Form mitmachte, die mein Liebesvermögen, symbolisch gesprochen, mit der Wurzel entriß.
Robert Musil an Bruno Fürst, Schreiben v. 21.2.1935, Klagenfurter Ausgabe/Lesetexte/Bd. 19 – Wiener und Berliner Korrespondenz 1919–1938
Sie umarmte ihn sogleich und küßte seinen Mund. Was dann kam, wurde viele Jahre später von ihm eigentlich immer noch bezweifelt, aber es war doch unleugbar so gewesen. Wieder an der Hand genommen, durch Zimmer geführt. Ein sehr duftiger Raum zuletzt. Immer wieder sah er dann Henriette dort auf der Causeuse sitzen, eine schwere grundbrechende Explosion: im Hemd und im großen Mieder. Sie erhob sich und begann es zu lösen. Er rutschte auf den bloßen Knien zu ihr hin. Sie fuhr ihm durch das Haar und erteilte ihm nur einen Wink mit der Hand: nach rückwärts, sich niederzulegen. Dann kam sie: ein heißer Gletscher. […] Als Monica die Frau Henriette vierzehn Tage oder drei Wochen später fragte, wann sie die Wohnung wieder zur Verfügung haben wolle, sagte die ältere Freundin: »Was fällt dir ein, Moni. Ich kann doch nicht ein Liebesverhältnis mit einem Gymnasiasten haben.«
Heimito von Doderer: Die Wasserfälle von Slunj. Roman