Maschinenbewegung

Cf. zum Folgenden Parlograph-Anm. 1 (Kafka/Felice Bauer) und 2 (Stoker/Mina Harker). Und: selbstverständlich bildet sich in den Ansichten, den vorgeschlagenen Nutzungsweisen der Maschine Parlograph, in denAbbildungen davon und im Sprechen darüber Geschlechterverhältnisse und Fragen der stratifizierten (Büro-/Amts-/Fabrik-) Gesellschaften ab. Felice Bauer und Mina Harker (v.a. die des Friedrich Kittler) als Parlographinnen, Empfängerinnen; sie nehmen auf.

Wird von Maschinen derart gesprochen, dass diese auch kaputt gehen, dass ein Gebrechen auftreten könnte, eine Fehlübertragung (cf. Kafka, Strafkolonie – diese Auskoppelung aus dem Process-Schreiben im Oktober 1914!)? Ghost in the machine … Wie sprechen wir von Maschinen? (Und daraus folgt etc.)

»50% Zeitersparnis = Gewinn um 100% […] Unentbehrlich für jedes Bureau, jeden Rechtsanwalt, jeden Gelehrten u.s.w.« (Parlograph, 1912) — »Wir könnten sagen, die Maschine, oder ihr Bild, sei der Anfang einer Reihe von Bildern, die wir aus diesem Bild abzuleiten gelernt haben.« (Wittgenstein, PU 193)

Die Zukunft v. 9. November 1912

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Inserat aus 1912. Ein Bureaurechtsanwaltgelehrter hält eine Zigarette, ein Blatt Papier; von diesem liest er ab, spricht in einen Parlographen. Es wird ein Vertrauen in die Maschine dargestellt, dass diese so aufzeichne, wie gesprochen wurde. Dies setzt voraus, dass präzise gesprochen wird – und dass :SO: präzise gesprochen wird –, wie die Maschine, der Parlograph aufzuzeichnen imstande ist.


Fortsetzung mit Wittgenstein:

»Die Maschine scheint ihre Wirkungsweise schon in sich zu haben« heißt: wir sind geneigt, die künftigen Bewegungen der Maschine in ihrer Bestimmtheit mit Gegenständen zu vergleichen, die schon in einer Lade liegen und nun von uns herausgeholt werden. –– So aber reden wir nicht, wenn es sich darum handelt, das wirkliche Verhalten einer Maschine vorauszusagen. Da vergessen wir, im allgemeinen, nicht die Möglichkeit der Deformation der Teile, etc. –– Wohl aber, wenn wir uns darüber wundern, wie wir denn die Maschine als Symbol einer Bewegungsweise verwenden können, – da sie sich doch auch ganz anders bewegen kann.
Wir könnten sagen, die Maschine, oder ihr Bild, sei der Anfang einer Reihe von Bildern, die wir aus diesem Bild abzuleiten gelernt haben.
Wenn wir aber bedenken, daß sich die Maschine auch anders hätte bewegen können, so kann es nun scheinen, als müßte in der Maschine, als Symbol, ihre Bewegungsart noch viel bestimmter enthalten sein als in der wirklichen Maschine. Es genüge da nicht, daß dies die erfahrungsmäßig vorausbestimmten Bewegungen seien, sondern sie müßten eigentlich – in einem mysteriösen Sinne – bereits gegenwärtig sein. Und es ist ja wahr: die Bewegung des Maschinensymbols ist in anderer Weise vorausbestimmt als die einer gegebenen wirklichen Maschine.
Wann denkt man denn: die Maschine habe ihre möglichen Bewegungen schon in irgendeiner mysteriösen Weise in sich? – Nun, wenn man philosophiert. Und was verleitet uns, das zu denken? Die Art und Weise, wie wir von der Maschine reden. Wir sagen z.B., die Maschine habe (besäße) diese Bewegungsmöglichkeiten; wir sprechen von der ideal starren Maschine, die sich nur so und so bewegen könne. – Die Bewegungsmöglichkeit, was ist sie? Sie ist nicht die Bewegung; aber sie scheint auch nicht die bloße physikalische Bedingung der Bewegung zu sein – etwa, daß zwischen Lager und Zapfen ein Spielraum ist, der Zapfen nicht zu streng ins Lager paßt. Denn dies ist zwar erfahrungsmäßig die Bedingung der Bewegung, aber man könnte sich die Sache auch anders vorstellen. Die Bewegungsmöglichkeit soll eher wie ein Schatten der Bewegung selber sein. Aber kennst du so einen Schatten? Und unter Schatten verstehe ich nicht irgendein Bild der Bewegung, – denn dies Bild müßte ja nicht das Bild gerade dieser Bewegung sein. Aber die Möglichkeit dieser Bewegung muß die Möglichkeit gerade dieser Bewegung sein. (Sieh, wie hoch die Wellen der Sprache hier gehen!)

Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen 193f.