Moosbrugger und der Irrsinn

In der Nacht vom 13. auf den 14. August 1910 ermordete der oberfränkische Zimmermann Christian Voigt die Gelegenheitsprostituierte Josefine Peer. Robert Musil verfolgte den Prozess aufmerksam und entwickelte aus den Zusammenhängen den Fall Moosbrugger. Das Urteil lautete auf Tod durch den Strang.

»Humor hat er. (Heiterkeit)« (Illustrierte KZ v. 21.10.1911, S. 5)

Voigt in seiner Stellungnahme dazu:

»Ich bin mit dem Urteil zufrieden, wenn ich Ihnen auch gestehen muß, daß Sie einen Irrsinnigen verurteilt haben! Ich bin total zufrieden!«
»Ich bin damit zufrieden, obwohl ich es gestehen muß (mit Schadenfreude im Ton), daß Sie einen Irrsinnigen verurteilt haben. Ich bin mit dem Urteil zufrieden.«
»Ich bin damit einverstanden, daß Sie meinen Irrsinn verurteilt haben. Ich bins zufrieden.«

Arbeiter Zeitung v. 22.10.1911 / Neue Freie Presse v. 22.10.1911 / Illustrierte Kronen Zeitung v. 22.10.1911

Bei Musil formuliert es Moosbrugger wie folgt:

»Ich bin damit zufrieden, wenn ich Ihnen auch gestehen muß, daß Sie einen Irrsinnigen verurteilt haben!« (MoE I.18)

Musil, MoE I.18

Voigt wurde am 22.02.1912 mit kaiserlichem Erlass zu lebenslangem schweren Kerker begnadigt; er kommentierte dies:

»Die Begnadigung freut mich nicht. Die Vollziehung der Todesstrafe wäre mir lieber gewesen.«

Bei Musil wird Moosbrugger lediglich in diversen Entwurfsfassungen zum weiteren Verlauf des Romangeschehens hingerichtet. Im veröffentlichten MoE bleibt das weitere Schicksal unbestimmt.


Querverweis: Zu Protokoll: Musil & Proust [und Moosbrugger/Voigt bei Karls Kraus]