Alice Waters, die u.a. das »Chez Panisse« gründete und jedenfalls etwas von Essen versteht, schrieb im Vorwort einer limitierten, englischsprachigen Auflage von Marcel Pagnols Memoiren (My Father’s Glory and My Mother’s Castle; North Point Press 1986) über dessen Traum,
an ideal reality where life and work were inseparable and the daily pace left you time for the afternoon anisette or the restorative game of pétanque, and where eating together nourished the spirit as well as the body—since the food was raised, harvested, hunted, fished, and gathered by people sustaining and sustained by each other and by the earth itself.
Unter Einnahme von etwas Anisette am Nachmittag und Aussicht auf die eine oder andere Partie Pétanque lässt sich genau hier noch einmal Die deutsche Ideologievon Marx und Engels perspektivieren, wiewohl die beiden von Pétanque noch keine Ahnung haben konnten:
Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will – während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.
MEW Bd. 3
Das wäre soweit klar: Anisette, Pétanque & die kommunistische Gesellschaft. Angemerkt sei – lediglich im Sinne des Kritisierens, wie ich gerade Lust habe –, dass die bekannte Szene in Pagnols Verfilmung (1932; es gibt eine Vielzahl an Sujetvarianten) seines Theaterstücks Fanny(1931) kein Pétanque – wie beispielhaft in Marseille (s.u.) –, sondern ein Jeu Provençal aus Pagnols Provence zeigt. Boule ist immerhin das eine wie das andere; Widerstand ist es allemal – und niemals zwecklos: »Alors, je tire ou je pointe?«
Nachsatz (März 2020): Franz Kafkas an den Anfang seines Journals gesetzter Ausweis eines ästhetischen Subjektivismus – »Die Zuschauer erstarren, wenn der Zug vorbeifährt.« –, sein erstes entsprechend eingeordnetes und erhaltenes Tagebuch-Notat, das nach dem 24. Mai 1909 und nur ein paar weltgeschichtliche Sekunden nach der ersten Partie Pétanque in La Ciotat von einem Kinoerlebnis (es wird sich um einen Kurzfilm der Gebrüder Lumière aus ca. 1895 handeln, L’ Arrivée d’un train à la gare de La Ciotat) berichten dürfte, ist zu nennen.
Einfahrt und Ausgang: die Eisenbahn fährt in La Ciotat ein, die Herren Lumière stehen mit der Kamera am Gleis, Pétanque nimmt seinen Ausgang und die Moderne, auf Schiene gestellt und nun auch mit perfekt proportionierten Stahlkugeln versehen, ihre Fahrt auf. Allez!