Schreiben und Arbeit – 50 Jahre >Zettel’s Traum<

[Ankündigung eines Symposiums; von Tobias Lachmann.]

SCHREIBEN UND ARBEIT – 50 JAHRE ZETTEL’S TRAUM
Symposium am 24. September 2021 (Dortmunder U – Zentrum für Kunst und Kreativität)

Genug der Witze: lieber wieder ruff uff de Galeere! -;
(die größte Hexe, die ich kenne, heißt Ausdauer!).
Arno Schmidt

Arno Schmidts Zettel’s Traum ist 50 geworden. Ein guter Grund, dieses notorisch schwierige, selten gelesene, aber immer wieder gefeierte und zitierte ‚Werk‘ in die Öffentlichkeit zu tragen. Als es 1970 erschien, war es ein Skandal und ein Erfolg. Die einen feierten seine Experimentierfreude, die anderen verteufelten seine geistige Freizügigkeit. Aber in einem war und ist man sich einig, bis heute: Zettel’s Traum ist ein Dokument der deutschen Nachkriegskultur, Spiegel der intellektuellen Revolte der 1960er Jahre, das sich zu studieren lohnt.

Worum geht es? In acht Büchern erzählt Arno Schmidt die 24 Stunden eines Sommertages im Jahr 1968 in dem Dorf Ödingen in der Celler Ostheide. Zu Besuch beim Schriftsteller Daniel Pagenstecher ist ein Ehepaar aus Lünen mit seiner 16-jährigen Tochter. Sie wollen sich beraten über eine Neuausgabe der Werke Edgar Allan Poes. Pagenstecher, Schmidt in vielem ähnlich, ist Experte für die deutsche und englische Literatur seit dem 18. Jahrhundert, ein Besessener, der sein Leben dem Schreiben opfert. In ausgiebigen Spaziergängen, im Wald und über die Heide, erörtert man das Verhältnis von Literatur und Wirklichkeit, Gesellschaft und Sexualität, das intrikate Ineinander von Traum und Ich. Besuche im Dorf und ausgiebige Kaffeegespräche schließen sich an, bis Stück für Stück deutlich wird, dass die Sprache die Wirklichkeit übernommen hat und das Denken und Leben regiert.

Zettel’s Traum ist zugleich ein Buch über das Schreiben als Arbeit. Es umfasst 1334 dreispaltig mit Schreibmaschine geschriebene Seiten, ergänzt um Glossen und Streichungen. Es kombiniert Maschinen- und Handschrift, um auf diese Weise die Entstehung und die materialen Bedingungen der poetischen Produktion an der Oberfläche zu zeigen und in die Tiefe der literarischen Reflexion zu tragen. Dafür orientiert sich Schmidt an James Joyces Ulysses und Finnegans Wake, am Expressionismus, der Psychoanalyse. In seinen radikalsten Passagen versucht Zettel’s Traum sich so weit in die Architektur des menschlichen Gehirns und der Seele zu schreiben, dass die Grenze zur Unlesbarkeit erreicht ist (was man Schmidt immer wieder vorgeworfen hat). Dabei versucht Zettel’s Traum nur zu zeigen, wie durchsetzt und gemischt ‚die Sprache‘ eigentlich ist, gekreuzt von zahlreichen Nationalsprachen, Assoziationen, Grammatiken, Zeichenregeln (und deren Verstößen), vom Sprechen und Schreiben. Etwa hier:

„& es stang tatsächlich=heran durch die Nacht, wie wenn Ich schonn ‚feuerde‘!; loco=motivische reMembrances Meiner Kinder=FeerienReisn kamen mir ein . . . (:zoo=phil im=Kopp!))“

Mit Beiträgen von Susanne Fischer (Bargfeld), Sabine Kyora (Oldenburg), Stefan Mühlhofer (Dortmund), Peter Plener (Wien), Jan Philipp Reemtsma (Hamburg), Ralf Simon (Basel).


FREITAG, 24.09.2021, 10.30 – 20.00 Uhr
DORTMUNDER U – Zentrum für Kunst und Kreativität, Leonie-Reygers-Terrasse, 44137 DORTMUND

Aufgrund der nur schwer absehbaren Rahmenbedingungen (Covid-19) ist eine vorherige Anmeldung unter , oder ratsam.

Die Veranstaltung setzt die Reihe »Ein Tag, ein Werk, ein Autor« fort.

PROGRAMM

10.30 Uhr
Frank Lobigs, Dekan der Fakultät Kulturwissenschaften (Dortmund)
Eröffnung, Grußworte

11.00 Uhr
Sabine Kyora (Oldenburg)
„Andrerseits erwartet man auch von einem guten Künstler, daß er unermüdlich im ‚Feilen‘ sein solle“. Zu Schmidts Poetik in Zettel’s Traum

12.00 Uhr
Stefan Mühlhofer (Dortmund)
Warum Zettel’s Traum lesen? Fragen und Antworten eines Historikers

13.00 Uhr
Mittagspause

14.00 Uhr
Peter Plener (Wien)
Der erste Zettel

15.00 Uhr
Ralf Simon (Basel)
Optische Etyms

16.00 Uhr
Kaffeepause

16.30 Uhr
Susanne Fischer (Bargfeld)
Vom Typoskript zum Satz. Zur Edition von Zettel’s Traum

17.30 Uhr
Pause, Snacks

18.00 Uhr
Jan Philipp Reemtsma (Hamburg)
Lesung