Schreibmaschinenhandschrift

normal = Maschin-, kursiv = Handschrift.

Basel den 2. Januar 1916. 

An das DEPARTEMENT DES INNERN

Durch die Aeusserungen eines Beamten der Staatskanzlei ist mir bekannt geworden, dass bei dieser Verwaltung die Absicht besteht, das Protokoll über die Verhandlungen des h. Regierungsrates von nun an in Maschinenschrift herzustellen.
Ich gestatte mir, gegen dieses Vorgehen Einsprache zu erheben.
Zunächst ist zu bemerken, dass noch zu wenig genügende Erfahrungen über Dauer und Haltbarkeit der Maschinenschrift bestehen. Die frischen Produkte dieser Kunst, zu Beginn der 1890er Jahre mit blauem Farbstoff angefertigt sind schon jetzt zum Teil ganz abgeblasst; wir wissen nicht, ob die später in Verwendung genommene schwarze Farbe besser Stand hält. 
Sodann ist die Qualität des für Schreibmaschinen dienlichePapieres zu bedenken. Den zahlreichen auf das dünne Seidenpapier mit der Maschine geschriebenen Akten ist jedenfalls kein langes Leben beschieden; aber auch das auf der Maschine etwa zur Verwendung kommende stärkere Papier hat keineswegs die hohen Vorzüge jenes Handpapiers, in dem auch Akten früherer Jahrhunderte noch völlig intakt sich bis auf uns erhalten haben. 
Wenn irgendwo, so ist auf diesem Gebiet des amtlichen Schrifttums die Maschine kein Ersatz der freien persönlichen Tätigkeit.
Wenn, wie gesagt wurde, die zur Zeit im Ratsprotokoll zur Anwendung kommende Handschrift nicht leicht zu lesen ist, so kann dies nur Folge davon sein, dass bei Anstellung des Kanzleipersonals nicht auf das Vorhandensein wirklicher Kanzleimässiger Schreibfähigkeit und Schreibfertigkeit gesehen wird und dass diesem Personal dann natürlich das Verständnis für den Wert und die unleugbare Notwendigkeit einer schönen lesbaren Handschrift auf gutem haltbaren Papier abgeht. 
Ich würde die Einführung der Maschinenschrift, deren weitgehende Anwendung für Akten mir schon jetzt zum mindesten bedenklich erscheint, beim Ratsprotokoll für einen Fehler halten und rate dringend davon ab, dieses Experiment zu machen.
Sollten aber wirklich persönliche oder sachliche Gründe bestehendie dem Schreiben des Ratsprotokolls in herkömmlicher Weise entgegen sind, so würde sich das Drucken der Protokolle empfehlen. Andere Regierungen (BasellandZürich etc.) haben meines Wissens schon seit Jahren gedruckte Protokolle.

Rudolf Wackernagel, Staatsarchivar und Sekretär des Regierungsrates, Dr. iur. et phil., 2. Jänner 1916, Basel. Typoskript: Staatsarchiv Basel-Stadt (StABS), Räthe und Beamte Q 1. Staatskanzlei. Copie/Konzept des Staatsarchivars vom 2.1. 1916 
(Zit. nach Stefan Nellen: Mechanisierte Sekretäre. Verwaltung im Zeichen der Schreibmaschine. In: Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts. Hg. v. Peter Becker. Bielefeld: transcript 2011, S. 247–274)

Bis jetzt war noch Händearbeit nötig, von jetzt aber arbeitet der Apparat ganz allein.

Kafka, In der Strafkolonie, 1914 ff.

Jan Tschicholds Hand schreibt wie gedruckt »schrift« (1948).