Buchmacherei

Die Buchmacherei ist kein unbedeutender Erwerbszweig in einem der Cultur nach schon weit fortgeschrittenen gemeinen Wesen: wo die Leserei zum beinahe unentbehrlichen und allgemeinen Bedürfniß geworden ist. – Dieser Theil der Industrie in einem Lande aber gewinnt dadurch ungemein: wenn jene fabrikenmäßig getrieben wird; welches aber nicht anders als durch einen den Geschmack des Publicums und die Geschicklichkeit jedes dabei anzustellenden Fabrikanten zu beurtheilen und zu bezahlen vermögenden Verleger geschehen kann. – Dieser bedarf aber zu Belebung seiner Verlagshandlung eben nicht den inneren Gehalt und Werth der von ihm verlegten Waare in Betrachtung zu ziehen: wohl aber den Markt, worauf, und die Liebhaberei des Tages, wozu die allenfalls ephemerischen Producte der Buchdruckerpresse in lebhaften Umlauf gebracht und, wenn gleich nicht dauerhaften, doch geschwinden Abgang finden können. 
Ein erfahrner Kenner der Buchmacherei wird als Verleger nicht erst darauf warten, daß ihm von schreibseligen, allezeit fertigen Schriftstellern ihre eigene Waare zum Verkauf angeboten wird; er sinnt sich als Director einer Fabrik die Materie sowohl als die Facon aus, welche muthmaßlich – es sei durch ihre Neuigkeit oder auch Scurrilität des Witzes, damit das lesende Publicum etwas zum Angaffen und zum Belachen bekomme, – welche, sage ich, die größte Nachfrage, oder allenfalls auch nur die schnellste Abnahme haben wird; wo dann gar nicht darnach gefragt wird: wer oder wie viel an einer dem Persifliren geweihten, sonst vielleicht dazu wohl nicht geeigneten Schrift gearbeitet haben mögen, der Tadel einer solchen Schrift aber alsdann doch nicht auf seine (des Verlegers) Rechnung fällt, sondern den gedungenen Buchmacher treffen muß. Der, welcher in Fabrikationen und Handel ein mit der Freiheit des Volks vereinbares öffentliches Gewerbe treibt, ist allemal ein guter Bürger; es mag verdrießen, wen es wolle. 

Immanuel Kant: Über die Buchmacherei. Zwei Briefe an Herrn Friedrich Nicolai. In: Akademieausgabe, Abteilung I: Werke, Bd. VIII: Abhandlungen nach 1781, S. 431–438, hier: S. 436f.