Die Casa de la Contratación. Den Entdeckungen von Bernhard Siegert und in seinem Kielwasser Klaus Theweleit wären zunächst die historischen Feststellungen etwa Arndt Brendeckes voranzustellen. Dann Leinen los!
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Arndt Brendecke: Imperium und Empirie: Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft. Köln: Böhlau 2011, S. 119f.:
Die 1503 in Sevilla gegründete Casa de la Contratación steht in der Tradition mediterraner Handelshäuser und Stapelplätze. Sie folgt darüber hinaus im Ansatz dem portugiesischen Beispiel einer Casa da India. Portugal nutzte seine Casa jedoch vorwiegend, um das königliche Handelsmonopol mit dem kolonialen Sondermarkt Afrikas und dann des asiatisch-pazifischen Raumes zu organisieren. In Portugal war dazu 1434, nach der Eroberung des nordafrikanischen Ceuta von 1415, ein koloniales Handelshaus (Casa da Ceuta) zunächst in Lagos geschaffen worden, das noch weitgehend dem arabischen Modell eines Funduq folgte, also eines speziell für Fernhändler geschaffenen Markt- und Lagergebäudes, das in arabischen Gebieten zumeist auch Übernachtungsmöglichkeiten und somit einen relativ abgeschlossenen Bereich für besondere Handelsformen bot. Es folgte eine auf den Handel mit Westafrika zielende Casa da Guiné, die ab 1463 in Lissabon ansässig war.
Wegen der Bedeutung des Goldes im Spektrum der afrikanischen Handelsgüter, zu denen ertragreiche Exotika wie Kardamon, Zibetkatzen, Elfenbein und letztlich auch die Sklaven gehörten, trug das Handelshaus auch den Namen Casa da Mina e tratos da Guiné. Nach der Entdeckung des Seeweges nach Indien wurde eine den Kolonialhandel insgesamt zentralisierende Casa da Guiné, da Mina e da India gegründet, die zumeist abkürzend als Casa da Índia bezeichnet wird.
Die Aufgaben der Casa da India wurden durch die Form der portugiesischen Kolonialherrschaft bestimmt, die auf den Handel mit lukrativen Waren über einige an den Küsten gelegene Handelsstützpunkte abzielte. Portugal nutzte seine Casa dementsprechend einerseits, um diesen Handel der Krone vorzubehalten, andererseits, um die Verwaltung der kolonialen [/] Handelsstützpunkte zu organisieren. Spätestens seit 1481 ist neben der Casa noch der sogenannte Armazém de Guiné nachweisbar, wörtlich also ein ›Lagerhaus‹, das bald für die nautischen Instrumente und offiziellen Seekarten zuständig wurde. Da die Akten der Casa 1755 vom Erdbeben Lissabons vernichtet wurden, haben wir keine mit dem Sevillaner Indienarchiv auch nur annähernd vergleichbare Überlieferungsdichte.
Im Unterschied zur portugiesischen Casa da India konzentrierte sich die Casa de la Contratación in Sevilla auf den Bereich der Seefahrt und des Handels. Dies bot sich auch deshalb an, da mit der Schaffung des Indienrates zu Beginn der 1520er Jahre die politischen, administrativen und juristischen Aufgaben an den Hof gezogen und von den Belangen der Seefahrt und des Überseehandels abgetrennt wurden. Sieht man von den unmittelbaren Gründungsjahren ab, so unterwarf die Sevillaner Casa die umzuschlagenden Waren auch keinem königlichen Monopol. Im Gegenteil: schon 1505 gab sie den Handel für private Investoren und Händler frei. Den Katholischen Königen war schon in der frühen Entdeckungsphase geraten worden, das Kapital der Händler agieren zu lassen. Deren Habgier (codicia), so der Florentiner Juanoto Berardi, werde seinen Hoheiten dienlich sein. Diese im Ansatz moderne Wirtschaftspolitik hatte jedoch, darauf ist im Zusammenhang mit der Entwicklung der administrativen Wissenskultur hinzuweisen, unter den spezifischen Bedingungen des spanischen Königtums einen paradoxen Effekt. Er lässt sich an einem Kommentar des Chronisten Gonzalo Fernández de Oviedo verdeutlichen. Er merkte an, dass die Majestäten »beinahe nie […] ihr Vermögen und ihr Geld in diese neuen Entdeckungen gesteckt [hätten], sondern nur Papier und gute Worte«. Gerade weil man private Kapitalströme und Interessen zuließ, wurden parallel und kompensatorisch Verwaltungsstrukturen aufgebaut, die die Wahrung königlicher Rechte und Interessen, insbesondere natürlich der Rechtswahrung und Steuerabschöpfung, zu gewährleisten hatten. Dies konnte nur auf der Basis einer möglichst vollständigen Transparenz und Kenntnis privater Aktionen und Transaktionen geschehen, mithin durch Bürokratie und Papier. Dem Rückzug der Krone als Akteur im kolonialen Sonderhandel folgte also gewissermaßen deren Wiederkehr als Beobachter auf dem Fuße: eine Bürokratie, die auch private Handlungen zu dokumentieren, zu kontrollieren und schließlich zu besteuern hatte.