Die Bedeutung »Kleiner Litteraturen«? (Kafka, Tagebuch-Notat v. 25. Dezember 1911) – »Alles, was nicht Litteratur ist, langweilt mich und ich hasse es, denn es stört mich oder hält mich auf, wenn auch nur vermeintlich.« (21. August 1913).
Vgl. dazu ein Schreiben an Felice Bauer v. 11. August 1913:
Der Mann in Euerer Pension soll die Graphologie lassen. Ich bin durchaus nicht »sehr bestimmt in meiner Handlungsweise« (es müßte denn sein, dass Du es erfahren hast), ich bin ferner gar nicht »überaus sinnlich«, sondern habe großartige, eingeborene asketische Fähigkeiten, ich bin nicht gutherzig, bin zwar sparsam, aber gerade »aus Zwang« bin ich’s nicht und sonst sehr freigebig bin ich schon gar nicht, und mit dem, was der Mann sonst sagte und das Du Dir nicht merken konntest, wird es sich ähnlich verhalten. Nicht einmal das »künstlerische Interesse« ist wahr, es ist sogar die falscheste Aussage unter allen Falschheiten. Ich habe kein litterarisches Interesse, sondern bestehe aus Litteratur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein. Ich habe letzthin in einer »Geschichte des Teufelsglaubens« folgende Geschichte gelesen: »Ein Kleriker hatte eine so schöne süße Stimme, dass sie zu hören die größte Lust gewährte. Als ein Geistlicher diese Lieblichkeit eines Tages auch gehört hatte, sagte er: das ist nicht die Stimme eines Menschen, sondern des Teufels. In Gegenwart aller Bewunderer beschwor er den Dämon, der auch ausfuhr, worauf der Leichnam (denn hier war eben ein menschlicher Leib anstatt von der Seele vom Teufel belebt gewesen) zusammensank und stank.« [☞] Ähnlich, ganz ähnlich ist das Verhältnis zwischen mir und der Litteratur, nur dass meine Litteratur nicht so süß ist wie die Stimme jenes Mönches. – Man muß allerdings schon ein ganz ausgepichter Graphologe sein, um das aus meiner Schrift herauszufinden.
[☞] Kafka zitiert Gustav Roskoff: Geschichte des Teufels, Leipzig 1896, Bd. 1, S. 326. Die Parenthese, in Klammern, stammt jedoch von Kafka und findet sich nicht bei Roskoff.