Prozessarchitekturen

Walfangschiff, Schlachthöfe, Fließbänder hatten wir schon 1, 2, 3, 4 &c. Male. Weiter im Gleichstromprinzip …

Prozessarchitektonische ‹Kontrollräume› in Form von Telefonvermittlungen, Büroräumen, Rezeptionen in Hotels oder Anrichten in Restaurants stellen räumliche Konzentrationen her. […] Solche hochgradig konnektierten Kontrollräume sind in erster Linie Orte der Informationsverarbeitung: Daten werden erhoben, Nachrichten übermittelt, Aufgaben delegiert. […] Das Verzeichnen und Abgleichen dient nicht nur dazu, die Transaktionen zu dokumentieren und juristisch abzusichern. Die Praktiken fungieren zugleich als interne Kontrolle über die korrekte Ausführung der Abläufe, um Fehlern oder Betrugsfällen vorzubeugen. Über derartige verwaltungstechnische Maßnahmen werden dienstliche Abläufe überwacht, in symbolische Ordnungen übersetzt und einer Evaluierung zugeführt, auf deren Basis raumorganisatorische Anpassungen geschehen können. Kontrollräume sind daher auch spezifische Supervisions- und Verwaltungsorte, die der Optimierung der Arbeitsprozesse und ihrer räumlichen Voraussetzungen dienen. [/] In der Fokussierung arbeitstechnischer Abläufe unter den Prämissen ihrer räumlichen Disposition entstehen im ausgehenden 19. Jahrhundert prozessarchitektonisch konzipierte Zweckarchitekturen. Unterstützt durch Handlungsanweisungen wie Betriebsvorschriften, Leit- und Richtlinien formen und fundieren Prozessarchitekturen betriebliche Arbeitsroutinen bzw. bringen sie überhaupt erst hervor. Über räumliche Konstellationen und Operationen werden Verbindungen und Direktionalitäten hergestellt sowie Unterbrechungen, Speicherungen und Synchronisierungen geleistet. Öffnungs- und Schließungsmechanismen erzeugen selektive Durchlässigkeiten und ermöglichen kontrollierte Übertragungen. Über räumliche und kommunikationstechnische Konzentrationen können Vorgänge registriert und informatisiert werden. Ziel ist es, Voraussetzungen für einen ‹wirtschaftlichen Betrieb› herzustellen, also mit räumlichen Mitteln eine Ersparnis an Arbeit, Zeit und Kosten zu erwirken. Mit der Entwicklung prozessarchitektonischer Räume geht ein entsprechendes prozessarchitektonisches Denken einher, das sich in den zeitgenössischen Darstellungen diskursiv manifestiert. Gemäß der doppelten Semantik von ‹Verkehr› im 19. Jahrhundert werden kommunikative Interaktionen wie Objektflüsse gleichermaßen in ‹reibungslose› Vorgänge verwandelt. Soziale Abläufe werden als physischer Verkehr imaginiert. Sie werden in ‹Verkehrsbauten›, wie öffentliche Gebäude zeitgenössisch genannt werden, als gerichtete, störungsfreie und beschleunigte Prozesse und in Analogie zu industriellen Verfahren entworfen. Dieses Denken wird auch deswegen möglich, weil man sich an der Gleichsetzung prozessarchitektonisch mobilisierter menschlicher und nichtmenschlicher ‹Ströme› nicht weiter stört, sondern die Idee der Prozessierung entsprechend universalisiert. Um 1880 wird so dem architektonischen Phänomen des Verkehrs eine neue Dimension zugeführt: Standen durch bauliche Elemente gesteuerte Kommunikationsverhältnisse bis dato vor allem unter Herrschafts-, Dienstbarkeits- und Privatheitsansprüchen, konzipiert man sie in den neuartigen Zweckbauten des späten 19. Jahrhunderts zunehmend unter dem Paradigma wirtschaftlicher Produktion und dem Ideal einer möglichst weitreichend umgesetzten ‹Reibungslosigkeit› des Betriebs.

Susanne Jany: Operative Räume. Prozessarchitekturen im späten 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft H. 12: Medien / Architekturen, Jg. 7 (2015), S. 33–43, hier S. 41ff.