Franz Karl Ginzkey, während des Ersten Weltkriegs im Kriegsarchiv tätig (der Heimatfront für zahlreiche Autoren, die nicht an die Front wollten und es sich richten konnten), zum Kriegspressequartier (KPQ) gehörig, erinnerte sich mit der Überschrift Der seltsame Infanterist für die Weihnachtsbeilage der Furche (22.12.1951, S. 5f.) an Rainer Maria Rilke und dessen Zeit fernab des Frontgeschehens.
Der Oberst hatte ihm eine sehr einfache Arbeit zugeteilt. Der Dichter hatte nämlich mit Zuhilfenahme eines Bleistifts und eines großen Lineals die für Gagen- und Lohnberechnungen erforderlichen Papierbogen zu rubrizieren, was er auch mit großer Sorgfalt ausführte.
Wenige Wochen später wurde er, da sein Gesundheitszustand nicht der beste war, vom Militärdienst befreit.
Es ist mir nicht bekannt, in welcher Weise er später an seine milde soldatische Laufbahn zurückdachte. Er hat darüber geschwiegen und wir haben ihn nicht gefragt. Immerhin mag ihn in den Räumen des österreichischen Kriegsarchivs ein Geist begrüßt haben, der überlieferungsgemäß die Dinge einzuordnen wußte auch nach ihrem inneren Sinn.
Lineale literarisieren, scheint’s. Rilke – er hatte bereits am 29.12.1915 um die Aufnahme ins KPQ ersucht – wird 1916 notieren (Jänner bis Anfang Juli verbrachte er im KPQ):
Dort ist nun meine Lage (Büreaustunden von 9 bis 3) äußerlich bequemer und besser, aber wahrscheinlich unhaltbar, wenn es mir nicht gelingt zu ganz mechanischen Abschreibe- oder Registrier-Arbeiten versetzt zu werden; denn der Dicht=Dienst, zu dem sich die Herren seit anderthalb Jahren geübt haben, ist mir völlig unmöglich. Ich mag ihn nicht beschreiben, er ist sehr dürftiger und zweideutiger Natur, und eine Abstellung alles Geistigen […] scheint beneidenswerth neben diesem schiefen und unverantwortlichen Mißbrauch schriftlicher Bethätigung. Die Herren selbst nennen es »das Heldenfrisieren«, lange graute ihnen, nun haben sie sich dazu überwunden und werfens aus dem Handgelenk.
RMR an Anton Kippenberg, 15.2.1916 (natürlich log auch Rilke)