Ferdinand de Saussure zufolge sind die Figuren auf dem Brett mit den sprachlichen Einheiten vergleichbar, da es hier wie da um Systemrelationen ginge – und mithin um die Beziehungen der jeweiligen ›Einheiten‹ zu den je anderen. D.h. dass jede Figur ihren spezifischen Wert hat, der sich aus ihren Relationen zu den anderen bemisst, vorgegeben durch das System und seine Regeln. (Hinzu käme allenfalls noch, dass das sprachliche System an sich besteht, während das Schachspiel von den klaren Intentionen zur Veränderung der Relationen – den »Modifikationen« – getragen ist. Der eine will gewinnen; die andere auch.) Die ›Werte‹ der Figuren ändern sich also mit jedem Zug beim Schach und sind neu arrangiert zu sehen.
Unter allen Vergleichen, die sich ausdenken lassen, ist am schlagendsten der zwischen dem Zusammenspiel der sprachlichen Einzelheiten und einer Partie Schach. Hier sowohl als dort hat man vor sich ein System von Werten, und man ist bei ihren Modifikationen zugegen. Eine Partie Schach ist gleichsam die künstliche Verwirklichung dessen, was die Sprache in ihrer natürlichen Form darstellt. Wir wollen das etwas näher betrachten. Zunächst entspricht ein Zustand beim Spiel sehr wohl einem Zustand der Sprache. Der Wert der einzelnen Figuren hängt von ihrer jeweiligen Stellung auf dem Schachbrett ab, ebenso wie in der Sprache jedes Glied seinen Wert durch sein Stellungsverhältnis zu den andern Gliedern hat. Zweitens ist das System immer nur ein augenblickliches; es verändert sich von einer Stellung zur andern. Allerdings hängen die Werte auch und ganz besonders von einer unveränderlichen Übereinkunft ab: nämlich der Spielregel, welche vor Beginn der Partie besteht und nach jedem Zug bestehen bleibt. Diese ein für allemal anerkannte Regel besteht auch in sprachlichen Dingen; es sind die feststehenden Grundsätze der Semeologie.
Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Hg. v. Charles Bally u. Albert Sechehaye. Übers. v. Herman Lommel. Berlin: Walter de Gruyter 2001, S. 104f. [Vorlesung 1908/1909, EA 1916]
Nicht anders ist es beim Pétanque. (Cf. Pétanque und Widerstand.) Das Brett ist hier ein zu bemessendes Spielfeld, und der Wert jeder der max. 12 im Spiel befindlichen Kugeln bemisst sich nach ihrer Position – und auch (das macht es etwas komplexer) danach, ob und wie sie schon gespielt wurde oder gar noch zu spielen ist. Dies wiederum gilt Kugel für Kugel, Aufnahme für Aufnahme, bis ein Spiel bei 13 endet.