[Vor Jahren plante ich einen Band zur Problemlage des Begriffs vom Autor in den sich ändernden medialen Umständen (gerade auch im Spannungsfeld Journalismus-Öffentlichkeit). Über die Idee zu einem Konzept – und nicht mal zu diesem – kam das nicht hinaus. Das wird seine Gründe gehabt haben. Es bleiben die Fragen, es gibt sogar noch mehr davon; aber in einigen wenigen Zeitläufen werden sie ohnehin beantwortet sein.]
Das Konzept des Autors ist eine der zentralen Kategorien abendländischer Wissens- und Kulturvermittlung. In seinem (des Autors) Namen erfahren politische, journalistische, literarische, künstlerische, wissenschaftliche etc. Inhalte ihre Verbreitung.
Über die Jahrhunderte hat sich das, was unter einem Autor verstanden wird, im Diskurs herausgebildet und je nach Epoche radikal verändert, aber auch institutionalisiert. Verschiedene praktische, aber auch diskurstheoretische Strömungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts haben im Gefolge von Roland Barthes den “Tod des Autors” beschworen, bevor er in ebensolchen theoretisch hochgerüsteten Anstrengungen wiederkehren und seine Re-Inthronisierung erfahren durfte.
Das gegenständlichen Nachdenken über ein Publikationsprojekt wollte demgegenüber von der Situation des Autors heute anhand ganz handfester Überlegungen handeln: Was lässt sich, durch die medial bedingten Umwälzungen der Vermittlung von Inhalten bedingt, über die Autorin und den Autor heute sagen? Was können wir von ihm wissen zu einer Zeit, wo das Konzept womöglich eine ihrer radikalsten Änderungen in praxi (neue Medien bringen neue Kommunikations- ist gleich Interaktionsformen mit sich) erfährt? Wie lassen sich die Erzeugnisse von öffentlichkeitswirksamer Vermittlung im Licht der Frage nach “Autorschaft” taxieren? Und welchen Einfluss hat die Veränderung dieses Konzepts auf den Umgang mit publizistischer Öffentlichkeit?
1) Vom Monolog zum Dialog
Das Verhältnis zwischen journalistischem Autor und Öffentlichkeit (Leserinnen und Leser) war bis zur Medienumwälzung ein monologisches: Vom Journalisten recherchierte und (zumeist!) mit Bedacht formulierte Beiträge wurde in einer uni-direktionalen Kommunikation der Öffentlichkeit präsentiert. Die einzige Möglichkeit zur Interaktion auf Seiten der Konsumierenden lag im Bereich des Leserbriefs (“Briefe an die Redaktion”), über deren Öffentlichwerden ebenso von Verantwortlichen aus dem Umfeld der Journalisten (Redakteure) befunden wurde. Diese Einwegigkeit – so die Grundannahme – hat sich durch die neuen elektronischen Publikationsmedien zu einer interaktiven Mehrdirektionalität gewandelt: kaum ein Artikel, der ohne Kommentare der Poster bleibt, die ihrerseits aufeinander Bezug nehmen, aber auch den journalistischen Autor massiv zur Stellungnahme zu dem von ihm Verfassten auffordern. Die daraus ableitbare Frage:
– Ob sich, und wenn ja, dann wie, das Konzept “Autor” durch diese mediale Umwälzung verändert hat?
– Wie hat die politische Berichterstattung und die Berichterstattung über die Arbeit der Bundesregierung auf diese epochale Änderung der Kommunikationssituation zu reagieren?
– Welche Rolle hat das für die belletristische und die wissenschaftliche Autorschaft? (Blog- und E-Mail-Literatur, interaktive Intervention der Lesenden im Hinblick auf die Produktion, Respondenz und Eingriff der Lesenden, Peer Review der Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften)?
2) Rechtliches
Die Frage nach Autorschaft ist untrennbar mit jener nach dem Urheberrecht verbunden. Erst mit der Ausdifferenzierung der einzelnen gesellschaftlichen Bereiche im 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert wurde die strikte juristische Betrachtung des Phänomens möglich.
– Wie hat sich diese Frage (auch im Lichte der Urheberrechts- und Plagiat-Debatten der letzten Jahre) bereits verändert?
– Wie wird sie sich in Hinkunft verändern?
– Welche Einflüsse hat die Veränderung des Konzepts “Autor” auf den Inhalt und die die Gestaltung von Publikationsmedien?
– Wie kann das Recht des Einzelnen (vormals: Autor), sich gegen Raub seines (ehemals geistigen) Eigentums durch internationale Konzerne (“Kraken”) zur Wehr zu setzen, gewahrt werden? Welche Zusammenschlüsse der (ehemals) Autoren wird es in Hinkunft bedürfen?
– Selbstverständnis vs. Rollenverständnis ?! – Akzeptanz der Rolle/n (soziales Kapital, ökonomische Faktoren, rechtliche Absicherung… – oder eben nicht)
– Ein Text“ – mehrere Urheber: a) Werkbegriff // b) Pseudonym-Problematik // c) Beispiele: Adorno/Horkheimer, “Bachtin-Volosinov-Kreis”, Ghostwriters in the sky
– der (tatsächlich) tote Autor: Rechte- und Interessenvertretung von verstorbenen Autoren und deren Bedeutsamkeit für die Frage nach Autorschaft – liegt hier des “Pudels Kern”: das ökonomisch-juristische Skelett ohne das Fleisch des realen Autors; Frage nach Autor-witwen, -waisen, -schülern: testamentarisch übertragener Autorwille? Testament des Autors (Testament erster Hand / Autorenkörper erster Ordnung versus Testament zweiter Hand / Autorenkörper zweiter Ordnung)
3) Theoretisches
Sozusagen als Appendix sollen einige wenige, leidlich gut verständliche Beiträge die theoretische Debatte in ihrer Verworrenheit aus heutiger Sicht zusammenfassen.
– Was ist denn recht eigentlich mit Barthes’ “Tod des Autors” gemeint, was versteht die Diskurstheorie im Anschluss an Foucaults “Was ist ein Autor” darunter?
– Wie verhält es sich mit dem Recht auf die eigene Urheberschaft, wenn man die Vorstellung von “Intertextualität” “in Anschlag” bringt? (Und wie obsolet ist das in der 1:1-Entsprechung möglicherweise heute für 90% der Texturen/Autorenschaften?)
– Wie verhält es sich mit der Autorintentionalität? Ist das, was ein Urheber eines Textes kommunizieren will, von Bedeutung? Oder begeht man den schon in den 1950er Jahren angeprangerten “intentionalen Fehlschluss”, wenn man aus dem, was der Autor sagen wollte, Rückschlüsse darauf zieht, was sein Text mitteilt?