Ende 1944 waren die Schaltungen für die Z4 praktisch ausgearbeitet. Die wichtigsten Teile des Gerätes konnten wir noch kurz vor Kriegsende funktionsfähig fertigstellen. Ich mußte mich allerdings darauf beschränken, den logischen Aufbau der Maschine nur für die Lösung numerischer Rechenoperationen nach einem starren Programm auszuführen. Das erforderte viel Disziplin, denn die theoretischen Untersuchungen verleiteten sehr dazu, die Möglichkeiten der Maschine zu erweitern. Da Programme genauso wie Zahlen aus Folgen von Bits aufgebaut sind, lag es nahe, auch die Programme zu speichern. Damit hätte man bedingte Sprünge, wie wir heute sagen, ausführen und Adressen umrechnen können. Es gibt dafür verschiedene schaltungsmäßige Lösungen. Ihnen allen liegt ein gemeinsamer Gedanke zugrunde: die Rückwirkung des Ergebnisses der Rechnung auf den Ablauf und die Gestaltung des Programmes selbst. Symbolisch kann man das durch einen einzigen Draht darstellen. Ich hatte, offen gesagt, eine Scheu davor, diesen Schritt zu vollziehen. Solange dieser Draht nicht gelegt ist, sind die Computer in ihren Möglichkeiten und Auswirkungen gut zu übersehen und zu beherrschen. Ist aber der freie Programmablauf erst einmal möglich, ist es schwer, die Grenze zu erkennen, an der man sagen könnte: bis hierher und nicht weiter. Wir stehen heute noch mitten in dem Prozeß der Ausschöpfung der logischen Möglichkeiten dieses Prinzips. Meine Scheu übrigens, den besagten Draht zu legen, trug meinen Geräten nach dem Krieg den Ruf ein, nicht einmal mit bedingten Befehlen rechnen zu können. Dies als kleine Marginalie zum eingangs angesprochenen Problem »Verantwortungsbewußtsein des Erfinders«.
Konrad Zuse: Der Computer. Mein Lebenswerk. Berlin, Heidelberg: Springer 42007, S. 77f.