Der erste Zettel (1)

A Midsummer Night’s Dream (William Shakespeare): Zettel’s Traum (Arno Schmidt, BA IV.1) und Theseus’ Tempel (Sigmund Freud, V.1) – fortfahren, indem eins davor zu setzen ist: Bottom’s Dream & fine frenzy rolling [☞ 1] … und noch ein paar Zitate und ein wenig Literatur dazu … und los:

»Fang nur gleich mit’m Motto an; – manchmal mußDe natürlich ganz=schön=lange Circeln bis De’S raus hasD … : ?«

ZT v. 2010, S. 902

ébm genau=jenes ZiehTat, als Motto

ZT v. 2010, S. 1093

Das ›Motto‹ ist dem Werk vorangesetzt, so will es das Gesetz. In Zettels Traum ist es untrennbar mit ihm, dem Titel, verbunden. (Die unterschiedlichen Positionierungen von Titel- und Motto-Setzung in Typoskript [☞ 2] und gesetzter Ausgabe von Zettels Traum sind bemerkenswert, ändern die Bedeutung der Textsorte/n jedoch nur graduell.)

Es soll mir mehr oder weniger allein darum gehen: was hier maschingeschrieben wurde, was sich lesen lassen könnte – und was sich lesen ließe, wenn es nicht weggelassen worden wäre. Was veränderte sich vom mitzulesenden Shakespeare-Text zu einem Wieland geschuldeten Titel und einem von Schlegel übertragenen Text, die ihrerseits von Schmidt zugerichtet und miteinander gefügt wurden?Dieser ›erste Zettel‹ erzählt – altmodisch gesprochen – hinsichtlich Position, Form und Inhalt (= dem was aufgerufen und vorangestellt wird) sehr viel – zettel 2 (1969/1970) vs. Seite 7 (2010): Typoskript vs. Satz Forssman –, noch bevor man umgeblättert hat und wie bei allen Zetteln feststellt, dass jeder eine Vorder- und eine Rückseite hat. ›Bottoms Awake‹ …

Wann wurde das ›Motto‹, auf den »zettel 2«, getippt? (So wie die Seite 1, also »zettel 4«, [☞ 3] zu einem sozusagen ›späteren‹ Zeitpunkt, um präziser einzufassen, wie es anzulegen sei?!) An die Frage und die insinuierte Antwort schließt sich eine Behauptung: Arno Schmidts »Zettel’s Traum« beginnt nicht mit »zettel 4«, er beginnt mit der Zurichtung eines Shakespeareschen Theater- zu einem Schmidtschen Prosatext. Derart verweist der erste Zettel auf die folgenden 1.330.

Was geschieht in »Zettels Traum« (Ü: Schlegel), einer S(e)quenz auf offener Bühne, aus der die Figur des Laiendarstellers aufschreckt, wiewohl schlaftrunken doch aufs Stichwort hin bereit, in die vorgeschriebene Handlung einzutreten?! Ein Stück im Stück wird geprobt, die Geschichte von Pyramus und Thisbe soll aufgeführt werden, doch des Elfenkönigs Oberon zauberhafter Waldgeist Puck zaubert dem Weber Niklas Zettel den Kopf eines Esels zwischen die Schultern, [☞ 4] und alle Gefährten laufen davon – es beginnt ein Stück im Stück im Stück; Auftritt der Elfenkönigin Titania, die sich – zu eben diesem Zwecke gleichfalls verzaubert – Elfenhals über Eselskopf in ihn verliebt. Allerlei passiert. Der Athener Zettel schläft in den Armen der Elfenkönigin Titania ein. Während er schläft, wird sie geweckt, ihrer Verzauberung wieder entbunden, ihm wird dafür der Eselskopf – den zu tragen er nie gewahr wurde – zu dessen eigentlicher Gestalt rückverwandelt. Elfenkönig Oberon hatte zudem den zauberhaften Puck angewiesen, dass Zettel »mit den andern hier, erwachend, sich wieder heim begebe nach Athen, und alle der Geschichten dieser Nacht nur wie der Launen eines Traums gedenken.« (Ü: Schlegel) Was dadurch auch eintritt, ist, dass das was Zettel als seinen »Traum« zu ›erinnern‹ vermag, eine wundersame Rückbindung an III.1 ist, als die Athener Laienspielgruppe der Handwerker ihr Stück – ausgerechnet die Geschichte von Pyramus und Thisbe, die nicht zuletzt seit Ovids Metamorphosen Arno Schmidts Vorstellungen vom »DP« Dän und seinem fine Fränzy/Phrenzy/Fränzi/FriendSêl/frenzy rolling [☞ 5] zupass kommenden Meta-Rahmen gibt – probt und Brechungen durch die Vierte Wand vorsieht, wie sie radikaler kaum vorstellbar sind. Hier geht es um Stichworte, um den Einsatz zum rechten Zeitpunkt, ums Proben am Stück und dieses vorgestellt einer Wirklichkeit – und an diesen Moment, in dem dann von ihm unbemerkt er von Puck einen Eselskopf verpasst bekommt, erinnert sich Zettel und erwacht und der dritte Akt sowie die 1. Szene des vierten können als »Launen eines Traums« gefasst werden. Diese umfassten Liebe und Hass, Leidenschaften, Kränkungen, Ver- und Entzauberungen, Heiratsfeststellungen, die Unterscheidung von Sterblichen und Unsterblichen, eine Re-Stratifizierung vormaliger Machtgefüge und Re-Etablierung sozialer Hierarchien. Diese Nacht- hat (wie hier angedeutet) eine Tag-, der Zettel eine Vorder- wie eine Rückseite: den analytischen Monolog des Theseus in V.1.; darauf wird zurückzukommen gewesen sein.

Sich zu verzetteln bedeutet, dem Grimmschen Wörterbuch zufolge, etwas zu beurkunden, einzelne Wahrnehmungen schriftlich festzuhalten (d.h. die Herleitung vom lat. cedula), aber auch: verwirren, verstreuen. Zu verzetteln heißt seit der Frühen Neuzeit auch: zu exzerpieren, extensive Lektüre zu betreiben, gelehrt zu sein.Aus dem handwerklichen Bereich, von der Weberei her, ist der Zettel für die Texturgewinnung in Längsrichtung von Bedeutung und sich zu verzetteln bedeutet dort: den Faden zu verlieren (den der Länge nach im Webstuhl eingespannten Kettfaden). Das Anzetteln ist dem Deutschen Wörterbuch zufolge ebenfalls ursächlich (und mit Lat. attexere) mit dem Webhandwerk verbunden: im Sinne des Anwebens, dem Festigen eines Gewebes. Es geht mithin um das Beginnen (und folglich auch das Anstiften).

»1. ›ZETTEL’S TRAUM‹ als Titel«, notiert sich Schmidt in der Vorbereitung eines Interviews und sortiert die Stichworte für den davon ausgehend frei gehaltenen Vortrag vor: »a) Shakespeare [/] b) Bottom, der Große Weber – Gobelin [/] c) Entstehung aus 120000 Zetteln [/] d) Plan wunderlich genug angezettelt«. [☞ 6] Danach würde es, das galt es darzustellen, einerseits um das Material, die schieren Mengen sowie die physischen und psychischen Anstrengungen über die Jahre hinweg als Vorleistung gehen, aus der heraus das Format und die großen Handlungsstränge sich erst bespielen ließen. Und so erzählt er das auch weiter: »ZETTEL’S TRAUM – [/] der Titel natürlich – zunächst SHAKESPEARE. – – Das ist Bottom, der große Weber, und ein Buch ist ja schließlich auch eine Art – Teppich oder Gobelin wenn Sie so wollen.« [☞ 7] Shakespeare, genauer: »Und der Titel natürlich aus Wielands Shakespeare, ›Ein St. Johannis Nachts-Traum‹.« [☞ 8]

Präzise zwischen diesen beiden Bestimmungen, die eine von Arno Schmidt im Vortrag (und später auch Gespräch) gegenüber Christian Gneuß, die andere etwa dreißig Jahre später in einem Studienband von Jörg Drews und Doris Plöschberger, spannt sich nicht allein eine Vielzahl an auf DIN A3 kaum unterzubringenden Fragen nach dem Titel-Zettel in die Maschine, sondern sehr wesentlich wird davon auch die Lektüre des Motto-Zettels bestimmt sein. Welcher Zettel an welchem Ort, wer schreibt, webt, spricht, tippt, wer beschneidet wessen Rede zu welchem Zweck – und wie funktioniert das?

Nicht das Bild einer Homerischen Penelope (sie, die erste Meisterin des gezielten An- und Verzettelns) von der Heide mit ihrem stetig neu aufzutrennenden Werkstoff eines Leinentuchs will Schmidt evozieren, sondern »den großen Weber« und einen Bilderteppich, einen »Gobelin« – und sich selbst den Handwerker zuschreiben, der die Fäden in der Hand hält, die Zettel verwaltet. Sehr unverhohlen wird an diesem 20. März 1969 zu Bargfeld Shakespeares Bottom mit Wielands Zettelmit Schmidts Traum verknüpft.

Es [der Titel; Anm.] deutet natürlich auch auf die Entstehung aus lauter Zetteln hin. Es ist meine Art, viele in diesem Fall waren’s 120000 Zettel zu sammeln – dann sorgfältig genau hintereinander zu passen zu montieren – und dann das Buch zu schreiben. [/] Und außerdem ist der Plan ja auch wenn man so will wunderlich genug angezettelt […].

Schmidt: Lesungen, Interviews, Umfragen, S. 33

Eine passgenaue Montage von Zetteln, ein angezettelter Plan – ein Teppichweber namens Zettel. Es geht um Kunst-Hand-Werk. Und so banal wie konkret festgestellt: nimmt man diese Epi- und Peritexte im Sinne Genettes ernst, wird hier kein Buch zu Poe oder Joyce oder Schmidt annonciert, sondern ein in seinen paratextuellen Tropen von den Schreib- und Verfahrenstechniken wesentlich aus Shakespeares Sommernachtsmärchenstück mit all seinen Verwandlungen und Täuschungsmotiven hergeleitetes. Dabei, das wäre auch so eine Täuschung, wird hier zunächst einmal ein als deutsches Theaterstück übersetztes englisches Theaterstück als Titel und Motto eines gigantischen Essay-Romans sequenziert, quasi ›squenziert‹. Ein vom eigentlichen Beruf des Webers sprechender Name einer Laiendarsteller-Bühnenfigur, Samuel Pepys mochte gleich das ganze Stück nicht, [☞ 9] wird etymologisch sorgfältig übersetzt ins Verzeichnis der Dramatis personae eingepasst und dort um die Doppeldeutigkeit des Traums gebracht (1. Zurichtung); nominell derart übernommen wird der Figur im nächsten Übersetzungsdurchgang die Zweideutigkeit wieder angestückelt, nur diesmal auf die Zielsprache bezogen und ohne dass es anrüchig würde (2. Zurichtung). Aus: »it shall be called ›Bottom’s Dream‹, because it hath no bottom« (William Shakespeare) wird »er soll Zettels Traum genennt werden« (Christoph Martin Wieland), wird »sie soll Zettels Traum heißen, weil sie so seltsam angezettelt ist« (August Schlegel), wird »Es soll Zettels Traum genannt werden, damit es im Gedächtnis bleibt und nicht verzettelt wird« (Erich Fried) wird »Sie soll Zettels Traum heißen, weil darin alles ganz und gar verzettelt ist« (Frank Günther). Das alles wird vom »großen Weber« Arno Schmidt nun gezielt unterschlagen, er schneidet sich sein eigenes Stück, die Längsstreifen im Webstück, die Zettel, werden zu Durchschüssen: »Auch im vorliegenden Fall POE sehe ich ein Textgewebe – die ‚Kette‘, (engl. bottom) aus Worten; im ‚Schuß‘ Etyms –‹ /« [☞ 10] Demgegenüber ließe sich zwar ein kleiner ›Fehler‹ aus ZT zitieren, denn wie Hans Radspieler im Bargfelder Botenaufzeigte, [☞ 11] wenn Schmidt Pagenstecher vortippt (und von Hand an der Stelle nicht wenig korrigiert! [☞ 12]):

»Du stellsD also die Theorie auf, –« / : »Ich stelle nie Theorien auf : ich probiere Arbeitshypothesen, & wie weit dieselben tragen. Auch im vorliegenden Fall POE sehe ich ein Textgewebe – die ›Kette‹, (engl. bottom) aus Worten; im ›Schuß‹ Etyms –« /

Schmidt, ZT (BA IV.1 [Anm.: Das Sommernachtstraum-Zitat ist aus IV.1 und ZT ist IV.1 der BA], 2010, S. 31 / »zettel 26« in der EA

Da liegt er nicht einfach nur etwas schief (genauer: es ist falsch), sondern lässt er sich durch einen Fehler bei der Korrektur auch den nun wirklich guten Witz entgehen, dass dieser Wieland-Shakespeare »Zettel« etym[sic]ologisch ein der Länge nach das Gewebe durchziehender Faden ist, wie ja auch die ›Zettel‹ Schmidts den Text durchwirken. [☞ 13]

Hier und gleich ganz am Beginn des ZT ist der Boden des Knäuels (der ›bottom of thread‹ [in Zeiten der elektronischen Kommunikations-Threads tippt man besser gleich 1: ›sic!‹], der Unterfaden ist aufzulesen und an ihm entlang lässt sich alles entwickeln.

Es sind die Zettel und es sind die Zusammenhänge aufzuzeigen. (Nebenbei mag es nicht von ungefähr wie ein Fass ohne Boden aussehen, was da aufgemacht wird.) Faden, Kette, Schuss. Wieder und wieder und es ist ein Gewebe. (Und zumindest in Klammern sei verwiesen auf die enorme Bedeutung der Decken und des Gewebes in einem anderen derart großen weißen Wal wie »Zettel’s Traum«, in Melvilles »Moby-Dick« [☞ 14]). Der rote Faden ist hier die Psychogrammatik der POEtik (vielleicht auch das Schiff, das hier durchgeschossen wird), sie gerät Schmidt zur breiten Mittelspalte, die Explikationen, Ober- und Unterfäden begleiten diese bis in schwarze Rechtecke und weiter. [☞ 15] Durchschossen. Verwoben.

Das, was im aufgrund seiner Positionierung im Buch so zu identifizierenden Motto vom eigentlichen Monolog des Webers Zettel nach dem Erwachen übrigbleibt, ist nicht mehr die Textierung von »Zettels Traum«, die ein »Peter Squenz« vornehmen solle; eine Arbeit, die bei Shakespeare Projekt bleibt. [☞ 16] Dessen nimmt sich ein Arno Schmidt an (der am Titelblatt bei ›seinem‹ Titel »Zettel’s Traum« genannt wird) und »Bottom« kann wieder zu »POe« werden. Dabei werden nicht allein die Längsstreifen zu Querschüssen umgedeutet, was zumindest schreibmedientechnisch sich auch als konsequent verstehen lässt, wenn im 20. Jahrhundert statt mit der barocken Feder [☞ 17] Type-Rider Schmidt mit der Maschine seine Zeilen tippt; die Zettel werden derart zu Etym-Ketten und die Seiten und narrativen Folgen umgekehrt zu »Zetteln«; auch die Interpunktionen werden nicht unberührt gelassen; aus den dramaturgisch-rhetorisch bedeutsamen Steuerzeichen – es wird nach Shakespeare zur Entwicklung einer genauer der inszenatorischen Praxis verpflichteten Bühnenschriftsprache, konkret: im deutschen Sprachraum und seiner Sprechtheatertextproduktion, auch auf die idiosynkratischen Innovationen eines Lawrence Sterne mit seinem »Tristram Shandy« zurückgegriffen. Vergleicht man die Interpunktion bei Shakespeare mit jener der diversen Übersetzungen, hört man vom 18. Jahrhundert her Iffland referieren:

Es mag seyn, daß eine Pause im gemeinen Leben einige oder eine Minute daure; allein auf der Bühne, wo alles dem Zeitraum angemessen seyn muß, worinne die ganze Handlung gedrängt ist, wo nichts mit diesem in Mißverhält[Seitenwechsel]niß stehen kann, ohne das feine Gewebe der Täuschung zu zerreissen, dort habe ich zufolge anhaltender Beobachtung gesehen, daß sie nur äußerst selten länger als ein aushaltender Athemzug dauren darf. [/] Je erschütternder die Ursachen der Pause sind, je mehr die Seelenkräfte betäubt sind, um so grösser ist die Ruhe der Maschine[.]

Iffland: Fragmente über Menschendarstellung auf den deutschen Bühnen, S. 99f.

Im Motto von »Zettel’s Traum«, einem um seine allzu deutlich an Shakespeare, das Theater und den Tod anbindenden Sequenzen gebrachten Exzerpt [☞ 18] eines Bühnenmonologs, werden die Pausen einer Rede des Erwachens, Codierungen für vergebliche Versuche geordneter Erinnerung und strukturierter Wiedergabe, zum Stammeln einer Vorrede zu einem »Roman« – und die Interpunktionszeichen werden gleich mit aus der einen in die andere Gattung überstellt. Derart funktionieren sie nun nicht einfach als affektmodulierende Regieanweisungen für Atem-Pausen [☞ 19] und Verzögerungsperformanz, sondern wesentlich als Auszeichnungen eines Inneren Monologs, [☞ 20] in dem zusätzlich die bereits bei Shakespeare parodierte Passage aus Paulus’ 1. Brief an die Korinther [☞ 21] weitere Querschüsse durchs »Textgewebe« (Schmidt) erlaubt. Man lese die Zettel aka Briefe des Apostel Paulus an die Korinther à rebours und träume; heraus kommt Shakespeares Mittsommernachtstraumstück, kommt Schmidts Etymromanmaschine; der Dichter, der kann’s, was der Mensch nicht kann, so Zettel, was er nicht vermag. Nur Peter Squenz kann die Sequenzen und Sentenzen festhalten und ordnen und Zettel sie dann vortragen. Nach seinem und der Thisbe (zumindest: Bühnen-) Tod – doch all das wird weggelassen, die dramaturgische Mediologie einer Gefühlskultur kann abtreten und Schmidt wird nicht zum Squenz, dafür »Zettel’s Traum« vom Vorhaben zur Tat. Die Eloquentia corporis, eine Körperrhetorik aus den Pausenzeichen heraus, wird zu Sprachkörpern und Körpersprachen, durch die Etyme jagen.

… tbc … : Der erste Zettel (v)


Literaturverzeichnis

Anmerkungen:

[1] »(the POE’ts Ei, in ä fein Fränzi rohling : ›ABERRON & TITTANIA; oder Einphallt & Bídetsin‹ …« (ZT v. 2010, S. 726)

[2] »(Und ich (damit W ihre dummen Rüffel für sich behielt) flink) : ›Sehr wohl, Fränzel : Wer Dichtung will, muß auch die Schreibmaschine wollen.‹« (ZT v. 2010, S. 22) / »der Klang Deiner Schreibmaschine gab Mein’n Träumen eine wunderliche Form. –« (ZT v. 2010, S. 760) / »Aber auch in den medialen Parametern entfernt sich vor allem Zettels Traum weiter vom klassisch-linearen Buch. Wie kein literarischer Text vor ihm überschreitet dieser durch Enzyklopädisierung das Buchmedium in Richtung jener Textform, die im elektronischen Medium als Datenvernetzung sich am adäquatesten umsetzen läßt: der Hypertextform.  Das dicke Über-Buch ist dabei, in ein Anti-Buch umzuschlagen. Die an Pose technomorpher Poetik angelehnte Forderung: ›wer Dichtung will, muß auch die Schreibmaschine wollen‹, weist voraus auf ein elektronisch maschinalisiertes enzyklopädisches Schreiben.« (Kilcher: Mathesis und poiesis, S. 461f.)

[3] »Die Seite 1 von ›Zettels Traum‹ […] wurde, wie man aus einem Vergleich der von Schmidt benutzten Schreibmaschinen sehen kann, später, als das ganze Buch schon weiter gediehen war, neu getippt, also – wahrscheinlich mit Veränderungen – nachgeliefert. Das mag damit zusammenhängen, daß Schmidt erst später abschätzen konnte, was alles an Motiven, Vorausdeutungen und Anspielungen diese erste Seite – als besonders dichte ›Ouvertüre‹ – würde enthalten können.« (Drews: Arno Schmidt: ›Zettels Traum‹, Seite 1 (ZT 4), S. 11.) Jahre später wird Drews diesen Befund im Grunde – und kursiv gesetzt – aufrechterhalten. (cf. Drews: Ouvertüre zu »Zettel’s Traum«).

[4] An dieser Stelle müsste natürlich eine ausführliche Darstellung zur Beantwortung der Frage stehen, woher Shakespeare dieses, vorsichtig formuliert: hochgradig pansexuell aufgeladene, Motiv nimmt, dass seit Ovid durch zumindest die abendländische Literatur fährt. (Dazu findet sich wahrscheinlich alles bei Günter Jürgensmeier [Hg.]: Shakespeare und seine Welt. Berlin: Galliani 2016; EUR 89,– …)

[5] »(the POE’ts Ei, in ä fein Fränzi rohling : ›ABERRON & TITTANIA; oder Einphallt & Bídetsin‹ …« (ZT v. 2010, S. 726) // »: what is POEtree? … think of all that is airy & fairy=like … the TEMPEST – the MIDSUMMER NIGHT’S DREAM – Prospero – Oberon – and Titania!; (LETTER TO B–).« (ZT v. 2010, S. 689) // Was sagn die Etyms da=zoo? […] TITANIA […] war ja fast zu=plump : ›Titte + Anus + Bottom’S Dream‹! – (abscheulich=deutlich!)). (Seir=praktisch beim Gebrauch ›natürlich‹ : einfach zum ›Drauf=setzn‹; mann hat die Hände frei.). […] wahrlich Sie hattn, wieder ma, Beide Recht, SCHOPENHAUER & FREUD : ›Nichts ist ohne Grund, warum es sey!‹ … / [/] + mad & phrenzy?!) [/] der ›garantierte Ständer Vergrößerer‹ + ›maid and Franzi‹!« (ZT v. 2010, S. 742f.) // Mittelspalte nach links mäandernd: »&=dâ wird ja POE’s ›LETTER TO B–‹ vielleicht zuständrich : ›What is POE=tree? – poetry! that Proteus=like idea‹; und JOHNSON heißt ihm ›that scurrilous Ars’a Major … the elevant … and then sink of the ›Midsummernight’s Dream‹ – Oberon – and Titania‹.« Rechte Spalte: »(warum hat Er ›Zettel=Bottom‹ weggelassn?; (& ZT?))« (ZT v. 2010, S. 1006)

[6] Schmidt: Fragmente, S. 316.

[7] Fortsetzung: » Es deutet natürlich auch auf die Entstehung aus lauter Zetteln hin. Es ist meine Art, viele in diesem Fall waren’s 120000 Zettel zu sammeln – dann sorgfältig genau hintereinander zu passen zu montieren – und dann das Buch zu schreiben. [/] Und außerdem ist der Plan ja auch wenn man so will wunderlich genug angezettelt wovon Sie gleich hören werden. [/] Der Umfang ist – ungewöhnlich groß. Ich habe es auf 1350 Großblätter geschrieben – DIN A3 allerdings – – wovon jedes Blatt einen Inhalt von etwa 6 bis 7500 Buchstaben hat. Man wird also sagen können im Durchschnitt – entspricht jedes dieser Blätter 4 Normalseiten, so daß also – rund 5000 Normalseiten herauskommen werden. [/] Die Materialsammlung habe ich im Sommer – 62 begonnen, parallel etwa zu der Poe-Übersetzung die ich damals anfing und die heute ja auch noch nicht ganz zu Ende ist. – – Das Gerüst hergerichtet – – [/] Die Entstehung der Zettel nebenbei erfolgte – – nicht etwa so, daß ich nun alles hineinzwängte, – was gerade anfällt sondern – bei einer solchen jahrelangen Konzentration auf ein Thema ist es ja so daß man am Ende nur noch das sieht und hört überhaupt was zum Thema gehört. (Schmidt: Lesungen, Interviews, Umfragen, S. 33.)

[8] Drews u. Plöschberger: Vorwort, S. 10.

[9] Samuel Pepys in seinem Tagebuch am 29. September 1662: »I sent for some dinner and there dined, Mrs. Margaret Pen being by, to whom I had spoke to go along with us to a play this afternoon, and then to the King’s Theatre, where we saw ›Midsummer’s Night’s Dream,‹ which I had never seen before, nor shall ever again, for it is the most insipid ridiculous play that ever I saw in my life. I saw, I confess, some good dancing and some handsome women, which was all my pleasure.«

[10] ZT v. 2010, S. 31 (i.e. »zettel 26«) – BA IV.1 [Anm.: Das Sommernachtstraum-Zitat ist aus IV.1 und ZT ist IV.1 der BA 2010]

[11] Radspieler: Wer taufte Zettel?, S. 26f.: »Die „Kette“ oder der „Zettel“ durchläuft ja das Gewebe in dessen ganzer Länge, während der „Schuß“ oder „Einschlag“ die Breite vom rechten bis zum linken Rand kreuzt. Ähnlich durchläuft die Person Bottom-Zettels den „Midsummer Night’s Dream“ sozusagen der Länge nach von der 2. Szene des I. Aktes an bis kurz vor dem Schluß des V. Aktes, und mit der Bottom-Zettel-Handlung kreuzen sich die Theseus-Hippolyta- sowie die Oberon-Titania-Handlung. […] Das ist erstaunlich: Der Lexikophile, ja Lexikomane Arno Schmidt unterliegt bei „bottom“ einem Irrtum bei der Verwendung von Fachterminologie bzw. der Bedeutung englischer Begriffe.« Zu einem ähnlich quellengestützten Befund kam auch Tölke: »Bottom« – »Zettel«, insb. S. 8f. Sein Resümee: » Shakespeare hat wahrscheinlich eine Nebenbedeutung des Namens »Bottom« mit einem Fachbegriff aus der Weberei (›Sammetgrund‹) im Sinn gehabt. [/] Christoph Martin Wieland wird genau so gedacht haben und hat infolgedessen auch ›übersetzt‹, nicht ›umbenannt‹. [/] Arno Schmidt folgte in dieser Frage dem von ihm verehrten Wieland – ohne das zu kommentieren.« (Ibid, S. 9)

[12] Radspielers Fußnote dazu: »Die Stelle ist stark korrigiert. Sie scheint, soweit sich aus meinem Exemplar erkennen läßt, zuerst gelautet zu haben: „Auch im vorliegenden Fall POE sehe ich ein Textgewebe – der ,Schuß‘ aus Worten; eine [?] ,Kette‘ aus Etyms -“. Schmidt hat bei der Umkehrung des Bildes das Versehen vielleicht in der Eile der letzten Korrektur begangen. Eine Erklärung von „bottom“ mit „Kette“ oder ähnlich ist in keinem der eingesehenen Wörterbücher […] zu finden.«

[13] Das braucht die Wieland- und Schmidt-Leser:innen nicht weiter zu irritieren und für die Shakespeare-Lesenden hat bereits Michael Mankos Arbeit (Die »Roten Fäden« in Zettels Traum – folgt man diesen »Roten Fäden«, die wesentlich auch von Titel und Motto her ausgespannt sind, entwirrt man weniger »Bottoms thread«; vielmehr kann man den Vorgaben eines unabdingbaren Bildungsprinzips folgen) die vielfache Einwebung von MSND-Zitaten in den ZT-Korpus belegt, so etwa »„(:,Ich hab ne rare Emission gehabt…‘, ZETT’L; (+ ’S TRAUM))“ (ZT 1313 rm)« mit »„Ich habe ein äußerst rares Gesicht gehabt.“ (IV.1.203)« (Manko: »Ein Sommernachtstraum« und »Zettels Traum«, 25.)

[14] Cf. Quilt/Peter Quinze – Moby-Dick-Ausführungen im Kommentar zu der Decke, die in Verwendung steht. – »Counterpane«-Kommentar von Armin Schäfer zu Kapitel 4 in NR 02/2012 [Schäfer: Patchwork und Netzwerk ] – der ganze Kommentar hebt präzise so an und läuft weiter, als gelte es Arno Schmidts Textverfahren aus der altenglischen Kulturtechnik des Quilts herzuleiten] Oxford English Dictionary verweist darauf, dass im 17. Jahrhundert maker of counterpanes synonymisch für writer (Schreiber, Abschreiber) verwendet wurden, die counterpane so etwas wie eine Kopie, ein Duplikat war – es geht um die schriftliche Herstellung von Gegenstücken. Counterpane ist derart auch ein veraltetes Synonym für counterpart, stammt vom altfranzösischen contrepan her, womit das ausgefertigte Duplikat z.B. eines Vertrags bezeichnet wurde. Es geht hier seit jeher um den Vertrag, das Schreiben, Ausstellen, Abschreiben und Beglaubigen. (Und Zettel mit Zitaten und Quellen dienen nicht unähnlich derartigen Beglaubigungsstrategien.) Die Bedeutung der Zettel für Zettels Traum mit Counterpane und Quilt erklären ?! (Einmal abgesehen davon, dass es im Nordamerikanischen Englisch Poes auch den crazy quilt gibt.) Check: Counterpart/Quilt in Oxford English Dictionary und Cambridge English Dichtionary !

[15] ›Dreispaltig‹ ist ZT, mit der mächtigen mäandernden Mittelspalte, die stets, wenn sie nicht nach links oder rechts hinauskragt, sich ausnimmt wie eine Kolumne mit genügend Weiß- und Korrekturraum um sich, an der sich einer in der Kunst der Annotation erwies, Zettelchen anheftend, Anmerkungen machend, Quellen nachweisend, Gedanken skizzierend, Ideen notierend.

[16] Weder wird der Zettel dem Squenz den Stoff für die Balladendichtung erzählen (können), da keine Zeit mehr zu verlieren sein wird, das geprobte Stück aufzuführen; noch wird er wie gedacht diese Ballade nach dem Tode Thisbes singen, da Theseus sein Angebot eines Epilogs ausschlägt: »let your epilogue alone.«

[17] »Der Blick auf Zettels Traum als enzyklopädische Textur macht nicht zuletzt auch deutlich, daß hier das barocke und das romantische Paradigma der Textur aktualisiert und mit Elementen der Moderne radikalisiert werden.« (Kilcher: Mathesis und poiesis, S. 461)

[18] Cf. ZT: »bezüglich Seines, verdammt schulbübijen, Excerptn=Gekwassls« (ZT v. 2010, S. 91) / »Infolgedessn erkennsDe ihn auch an seinen Excerptn; vor allem den Schriftsteller, der berufsmäßig allerlei Stellen anführt : ebm diese Möglichkeit des harmlosn Sich=Berufens auf ›ein Zitat‹ wird nicht nur als Camouflage gegnüber dem Leser genützt, (oder als AutoritätsVerstärkung); sondern bei DP=Typm hat die anscheinende Objektivität reinen FeignblattWert, in Hinsicht auf das eigne ÜI!« (ZT v. 2010, S. 573)

[19] Schiller, Kabale und Liebe: »starr und einer Bildsäule gleich, in langer toter Pause hingewurzelt«, steht dort im V. Akt/7. Szene Ferdinand auf der Bühne rum.

[20] Edouard Dujardin (Geschnittener Lorbeer), Arthur Schnitzler (Lieutnant Gustl, Fräulein Else) und James Joyce (Ulysses, Finnegans Wake) treten an – auch wenn Schmidt wohl nur Letzteren mitgemeint haben mag.

[21] »Nein, wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. [/] Denn uns hat es Gott enthüllt durch den Geist. Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes. [/] Wer von den Menschen kennt den Menschen, wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott – nur der Geist Gottes. [/] Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist. [/] Davon reden wir auch, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt, indem wir den Geisterfüllten das Wirken des Geistes deuten. [/] Der irdisch gesinnte Mensch aber lässt sich nicht auf das ein, was vom Geist Gottes kommt. Torheit ist es für ihn, und er kann es nicht verstehen, weil es nur mit Hilfe des Geistes beurteilt werden kann. [/] Der geisterfüllte Mensch urteilt über alles, ihn aber vermag niemand zu beurteilen.« (Paulus, 1 Kor 2,9 ff.)