Formular/e (1)

Madeleine Swann[☝︎]: I see you left this final question blank. What is your occupation?
James Bond: Well, that’s not the sort of thing that looks good on a form.
Madeleine Swann: And why is that?
James Bond: I kill people.

»Spectre« (2015)

Formulare stellen als eine Form verwaltungstechnischer »Aufschreibesysteme« Schreibflächen zur Verfügung und reglementieren deren Nutzung. So wie, mit dem für Medienwissenschaften fruchtbar gemachten Nietzsche-Verdikt, »unser Schreibzeug mit an unseren Gedanken [arbeitet]«, haben auch derartige Schreibflächen wesentliche Bedeutung für das, was hier entsteht.

Dabei sind die über Formularfelder generierten Datenmengen grundsätzlich prekär (Körper, Finanzen, Geist betreffend) und stellen die wesentliche Verschubmasse dar im laufenden Übergang von analog über elektronisch zu digital. Reglement, Zugriff, Nutzung, Prozesse und Konsequenzen unterscheiden sich dabei teils beträchtlich, stets aber sind auch je eigens ausgebildete Kulturtechniken mit im Spiel – sowohl was die juristischen Voraussetzungen als auch die Zurichtung von Formularen betrifft, die typografischen Auszeichnungen und Veränderungen entsprechend einer Idee größtmöglicher Effizienz; d.h. konkret Standardisierung und Reglement.

Wenn, mit Friedrich Schiller gesprochen, der Mensch zum Formular geworden ist –

»Aber selbst der karge fragmentarische Anteil, der die einzelnen Glieder noch an das Ganze knüpft, hängt nicht von Formen ab, die sie sich selbsttätig geben (denn wie dürfte man ihrer Freiheit ein so künstliches und lichtscheues Uhrwerk vertrauen?), sondern wird ihnen mit skrupulöser Strenge durch ein Formular vorgeschrieben, in welchem man ihre freie Einsicht gebunden hält. Der tote Buchstabe vertritt den lebendigen Verstand, und ein geübtes Gedächtnis leitet sicherer als Genie und Empfindung.«

6. Brief Über die ästhetische Erziehung des Menschen

–, wird Existenzielles verhandelt; diese Abneigung gegen Formulare, die beklagte Entfremdung durch den bürokratischen Akt, die Vielzahl an Vorgaben (›The Bureaucracy is the Massage‹) und vieles mehr tragen zum stets Prekären des Aufschreibesystems Formular bei.


☝︎ Dass der Figurenname »Madeleine Swann« mit einem an die (Stil-) Blüte(n)zeit der Postmoderne erinnernden Schmäh andeutet, dass Bond »Unterwegs zu Swann« (Du côté de chez Swann) sei, dass er seine Madeleine erst richtig zu genießen und verstehen lernen müsse – d.h. in Verbindung mit dem früheren Rat von Mutter (M), Tee zu trinken, viel später dann die »Petites Madeleines« (Bond Girls) mit dem von Tante Lêonie gereichten »schwarzen oder Lindenblütentee« akkompagnierend, in diesen getaucht –, er die Rekursion wie ein Akt zu durchlaufen habe, damit die wahre Erinnerung wieder über ihn komme, muss einem auch erst einmal einfallen. Das ultimative Geheimnis; oder Keine Zeit zu sterben (No Time To Die) – Freud hätte seine Freude an der blonden Psychologin gehabt.
(Cf. Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Bd. 1: Unterwegs zu Swann. Übers. v. Eva Rechel-Mertens, revid. v. Luzius Keller u. Sibylla Laemmel. Hg. v. Luzius Keller. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2011, S. 66–71.)


Vertragsformular der Stadtwerke Kaiserslautern, 1978.
(Abb. in: Borries Schwesinger: Formulare gestalten. Das Handbuch.
Mainz: Hermann Schmidt 2007, S. 69.)