In Charge – in Change

(Entwurf)

Kanzleiordnung 1923 – Büroordnung 2004 – In Char/n/ge 2023

Es gilt das verordnete Wort. Kanzlei- und Büroordnungen lassen sich als Erzählungen lesen, die davon handeln sollen, dass Verwaltungen und Organisationseinheiten noch schneller, noch genauer zur Sache, folgend dem Prinzip der Rechtssicherheit, auf dem je aktuellen medientechnischen Stand, Daten verarbeiten, Entscheidungen treffen, dazu Auskunft geben. Diese Fähigkeiten einerseits auszustellen und andererseits in Form von Handlungsanweisungen, Manualen der Korrektheit, durchzusetzen, werden derartige Texte verfasst und auf dem Verordnungsweg, gesetzlich abgesichert, an Personal, Publikum (Öffentlichkeit) und Politik adressiert. Fragen lässt sich, ob die je geltenden Ordnungen Gültigkeit haben, ob sie funktional sind, welche Referenzen und Paradigmen sie transportieren – und welches Selbst- (Leit-) wie Fremdbild sie abgeben. So wie der angewandten Phrasenhaftigkeit zufolge Budgets die ›in Zahlen gegossene Politik‹ sein sollen (und Kanzleiordnungen arbeiten dem zu, indem sie stets als noch effizienter und also noch zeitraffender, kostengünstiger arbeitend sich ausweisen, ein Zukunftsversprechen – vom Moment der Verordnung an – abgeben), müssen sich Kanzlei- wie Büroordnungen zwei Frage gefallen lassen: ob sie organisatorisch und medien- wie kulturtechnisch den sich stellenden Anforderungen gewachsen sind (d.h. mit Veränderungen Schritt halten können und insofern innovativ sind); ob sie davon eine taugliche Erzählung abgeben können, wie der Betrieb – das Verarbeitungssystem der Übertragung, Entscheidung, Überlieferung – funktioniere.

Entscheidungsreihen und Handlungsketten, Verarbeitungsweisen und die stratifizierte Einheitlichkeit der Organisationen decken sich mit der Vorstellung, dass Akten in ihrem Bearbeitungsverlauf zur Erledigung und Ablage hin als Objekte für sich einzustufen seien. Wenn man diese äußeren Vorgaben gegen die teils dramatischen Geschichtsrupturen, Regimewechsel, Gesellschaftsveränderungen und Medienbrüche der letzten 100 Jahre hält und feststellt, dass diese von lediglich vier (in eine Zahl gegossen: 4) Kanzlei- bzw. Büroordnungen begleitet wurden – 1923, 1973, 1992 und 2004 –, kann man entweder die Erzählung von einer nicht dem Veränderungsdruck ausgesetzten Verwaltung fortspinnen, oder man muss konstatieren, dass Fakt und Fiktion hier eine äußerst prekäre Mesalliance eingegangen sind. Die dritte Option wäre, die Frage nach notwendigen Innovationen ebenso stillschweigend zu verabschieden, wie der Akt auf dem Weg von seinen analogen Aggregatzuständen durch die elektronischen Schleusensysteme in die digitalen, d.h. algorithmisch fremdbestimmten, weil nicht mehr einsehbar prozessierten, ›Realitäten‹ der Dokumenten- und Datenmanagements – in der ›Black box‹ – seiner Erzählbarkeit verlustig gegangen sein wird. (Das Algorithmisieren von Verwaltung und die über Software in immer wieder neuen Zusammenhängen erfolgende Verknüpfung von Daten in Schreibflächen setzt voraus, dass diese berechenbar geworden ist. Das deckt sich mit den offiziellen Erzählungen von ihr, mit den Verordnungen für sie. Gleichzeitig ist festzustellen, dass es keine neutrale Programmierung gibt, dass der ›Machine Habitus‹ eines Algorithmus wesentlich zu berücksichtigen bleibt und keineswegs alle zu verarbeitenden Informationen allein auf eine Datenform heruntergebrochen werden können. Es wird ein zunehmend anwachsender Rest unbestimmbar, der hier mitgetragen wird, so wie das Informelle – von dem Kanzlei- und Büroordnungen nur im Sinne seiner bevorstehenden Verabschiedung zu schreiben wissen – immer schon den Behördenweg von Personen und Papieren mit beeinflusste. Die Brisanz und Komplexität der Fragestellung löst sich jedoch nicht, indem man ›im System spart‹, was stets einer Mischung aus Informationsmangel und Denkvermögen geschuldet ist. Zu fragen ist vielmehr nach Organisationsformen, nach Medien- und Kulturtechniken und der Notwendigkeit, mit Anpassungen, Changemanagement und Innovationsdruck gleichermaßen adäquat umzugehen.)

Es geht mithin nicht allein darum, dass den Kanzleiordnungen mit dem in sich geschlossen wirkenden Akt ein wesentliches – man könnte auch sagen: das – Objekt ihrer narrativen Notwendigkeiten abhanden kommt, womit sie tendenziell auch gleich unterbleiben können; es geht auch nicht nur um die fortgesetzte Garantie der Rechtssicherheit und des formal akkuraten, wiewohl beschleunigten Prozesses; zu handeln wäre von der Krise der Erzählbarkeit von Administrationen, der fortgesetzten Sicherstellung ihrer Geschäftsfähigkeit bei gleichzeitig erfolgender Innovation ihres Handelns und ihrer Arbeitsformen.

100 Jahre nach ihrer Einrichtung – als Abteilung für Verfassungsreform und Verwaltungsinnovation – initiiert die Abteilung für Strategisches Performancemanagement und Verwaltungsinnovation, ausgehend von den Kanzlei- bzw. Büroordnungen 1923/2004, angesichts der erheblichsten Medienverbundkomplikation ihrer Geschichte seit der Einführung von Keilschrift und Drucksorten, gewahr der laufenden gesellschaftspolitischen Veränderungen und wechselnden Anforderungen im Verhältnis zu ihren Grenzen Publikum, Personal und Politik, mehrere Veranstaltungen in unterschiedlichen Formaten und adressierend je wechselnde Zielgruppen: 

tbc


Was seither geschah: Die obgenannte Abteilung performiert selbstverständlich wie vorgeschrieben fortgesetzt innovativ. Es erfolgte jedoch basierend auf einem Ministerratsvortrag aus dem Dezember 2021 die Einrichtung einer Austrian School of Government; diese Auskoppelung handelnder Personen, mit neuen Köpfen, frischen Kräften, hinreichend zu einer Abteilung des öffentlichen Dienstes ergänzt, ist nun für die Koordination der Bildungsaktivitäten des Bundes zuständig, Curriculaentwicklung, Wissenschaft und Forschung zu Grundlagenthemen (›Verwaltungswissenschaft neu‹), Einführung neuer Formate, Aufbau neuer Ausbildungsschienen und eine Anbindung an den tertiären Sektor inklusive.