Jahrhundert-Gesetz

Am 11. Juli 1973 – fast auf den Tag genau 50 Jahre nach der Beschlussfassung des Ministerrats betr. die Kanzleiordnung für die österreichischen Bundesministerien – Egbert Mannlichers coup d’etat par l’administration wird im österreichischen Nationalrat (XIII. GP, 79. Sitzung) das Bundesministeriengesetz diskutiert, das sodann erlassen auch eine neue Kanzleiordnung mit sich gebracht haben wird (mittels Paragraph 12). Der Abg. MR Dr. Franz Fleischmann (SPÖ) meldet sich in der Debatte zu Wort:

Meine Damen und Herren! Das Tauziehen um eine Ordnung der öffentlichen Verwaltung ist in Österreich schon verhältnismäßig alt. Es sind Ministerien aufgelöst worden, es sind Ministerien gegründet worden, es hat, wie der Herr Kollege Dr. Schleinzer [ÖVP; Anm.] erwähnt hat, eine Begrenzung im Jahre 1922 stattgefunden. Man ist im Jahre 1927 rasch daraufgekommen, daß man zum Beispiel ohne Justizministerium nicht das Auslangen finden wind, und so hat man die Angelegenheiten der Justiz­verwaltung aus dem Innenministerium wieder herausgelöst. Diese Vorgangsweise ist nicht neu; sie ist meist aus Zweckmäßigkeits­gründen geschehen.
Meine Damen und Herren! Es liegt vor uns eine Regierungsvorlage, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die an sich schon sehr verschach­telten und komplex gewordenen Dinge in der Verwaltung etwas auf gleich zu bringen.
Über die Bedeutung dieses Gesetzes, das hier vorliegt, ist schon sehr viel gesagt worden. Ich kann mir ersparen, darauf noch näher einzugehen. Aber es scheint mir doch wesentlich, ein paar Dinge zu sagen, und zwar enthält zum Beispiel dieses Gesetz neben der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Geschäftsordnung noch etwas ganz besonders Bedeutungsvolles:
Unsere Verwaltungsarbeit in Österreich geschieht derzeit nach Vorschriften aus der maria-theresianischen Zeit. Die Kanzleiordnung ist bis heute nicht wesentlich verändert worden. Dieses Gesetz enthält die Verpflichtung, eine moderne Kanzleiordnung auszuarbeiten. Das scheint mir von derart wesentlicher und zukunfttragender Bedeutung für die gesamte öffentliche Verwaltung zu sein, daß man es gar nicht laut und deutlich genug sagen kann. […] Meine Damen und Herren! Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dieser Vorlage die Zustimmung zu geben. Ich darf nur noch ein­mal, bevor ich meine Ausführungen schließe,
darauf hinweisen, daß es sich für uns dabei um ein sogenanntes »Jahrhundert-Gesetz“« handelt, denn es ist bisher in der öffentlichen Verwaltung in Österreich und in Österreich-Ungarn nur in sehr großen Zeitabständen möglich gewesen, Gesamtheiten im Verwaltungsapparat zu verändern.
Der letzte bedeutende Schritt, der in diesem Gesetz seinen Niederschlag findet, ist die Verordnung über die Einrichtung des verantwortlichen Ministerrats. Erst 100 Jahre vorher finden wir eine ähnliche Regelung, die sich mit der gesamten öffentlichen Verwaltung beschäftigt. Ich glaube, daß wir mit dem Gesetz wieder ein ähnliches Jahrhundert-Gesetz ins Leben gerufen haben. (Beifall bei der SPO.)