Wie schmecken Schiffsjungen? Am 20. November 1820 wurde die Essex auf 0° 41’ Süd, 119° West von einem Pottwal gerammt und ging unter (die Farbe des Wals wurde nicht überliefert; Weiß ist eben nur bedingt eine). Ein derartiger Vorgang war damals nicht unüblich, 1835 die Pusie Hall, 1838 die Two Generals, 1850 die Pocahontas und 1851 die Pequod sowie die Ann Alexander sind weitere bekannte Beispiele, in denen ein Wal sich unwillig erwies. Die Überlebenden des Essex-Desasters (8 von 21) werden 3.500 Seemeilen hinter sich bringen, bis sie gerettet werden. Die meisten Toten wurden von ihren Kollegen verzehrt, mitunter entschied das Los über den nächsten Opfergang.* 1838 berichtet Edgar Allan Poe von den denkwürdigen Erlebnissen des Arthur Gordon Pym. Nach einer Meuterei werden unter den vier Überlebenden auf einem manövrierunfähigen, gerade noch wegen der leeren Fässer (die für den Waltran vorgesehen waren) treibenden Schiff die Strohhalme gezogen: Richard Parker hatte das vorgeschlagen, das Los trifft ihn – und ermöglicht es, dass die anderen weiterleben und nicht verhungern oder verdursten müssen. 1884 wird die Segelyacht “Mignonette” im Südatlantik untergehen, die vier Besatzungsmitglieder retten sich ins Beiboot und der 18 Jahre alte Schiffsjunge, Richard Parker, ist zur Freude der drei anderen bald so geschwächt, dass man ihm beim Sterben helfen kann. Sie werden nicht verhungern und späterhin auch begnadigt. 1974 berichtet Arthur Koestler, dass ein Leser, Nigel Parker, ihn auf die namentliche Koinzidenz aufmerksam gemacht hätte. (Peter Parker wird seit 1962 in seinem Netz gesessen und apathisch zugesehen haben.) 2001 ist erneut ein Richard Parker zugange, doch nun sitzt mit diesem ein ausgesprochen appetitloser bengalischer Tiger im selben Boot. Wie Schiffsjungen schmecken, wird dieser nicht herausfinden.
* Cf. Owen Chase: Narrative of the Most Extraordinary and Distressing Shipwreck of the Whale-Ship Essex, of Nantucket; Which Was Attacked and Finally Destroyed by a Large Spermaceti-Whale, in the Pacific Ocean; with an Account of the Unparalleled Sufferings of the Captain and Crew. New York: Gilley 1821.
Melville kannte das Buch nicht nur (er hatte es sich von Owens Sohn ausgeborgt und gelesen, während er auf dem Walfänger Acushnet dem cetologischen Handwerk nachging), er wird es sogar im April 1851 – ein halbes Jahr bevor Moby-Dick erscheint – von seinem Schwiegervater, »Herman Melville from Judge Shaw«, geschenkt bekommen, der es seinerseits von einem Thomas Macy zugesandt bekam. In Kapitel 45 des Moby-Dick sowie in den Exzerpten zu Beginn des MD findet Chase’ Buch Erwähnung.