Formulare (vgl. u.a. 1, 2, 1.2, 2.2; Fließband; Formel; Kontingenz; –lebenslauf; Arbeitsvorgang; Fakten) sind stets auch Elemente der ›Mediencontainer Akten‹ und Betriebsmittel für Aktenläufe, Elemente bürokratischer Datenproduktionsstraßen; diese stehen in den freudvollen Träumen von Staatseigentumsprivatisierer:innen in fensterlosen Werkshallen: Zunächst werden digital aufbereitete Vordrucke und Datenleerstellen produziert, um anschließend vermittels verknüpfter Datenbanken die digital gefügig gemachten Schreibflächen algorithmisch präzise mit Kennzahlen zu versehen und die solcherart beinahe reißend gewordenen Datenströme an der Ausgabestellen wieder einzuspeisen und verwerten zu lassen. Das intern und vorab als operativ zulässig erkannte Ergebnis wird zu erzielen gewesen sein. Damit fällt auch die/der Bürger:in an der Schnitt- als Sollbruchstelle weg. Der in den letzten Jahrhunderten immer wieder drohende Einbruch der Kontingenz, den alle amtlichen Formularersteller:innen so überschaubar wie möglich zu halten versuchen mussten, ist nur noch anekdotisch ein Thema. (Vorbild einer dann nur noch im Vorübergehen danach aussehenden staatlichen Organisation sind die digitalen Formularfelder der privaten Social Media, die so völlig anders als die analogen zu stehen kommen. Die Kontingenzvermeidung spielt bei diesen zwar eine Rolle, ihr Vor-Schein dient allerdings lediglich der Camouflage spezifischer Datenaggregation.)
In Terry Gilliams Film Brazil (1985) bekommt man bereits in der Einleitungssequenz zu sehen, was mehr als 35 Jahre später im Zusammenhang mit selbständig prozessierenden Algorithmen und Künstlichen Intelligenzen beim Zugriff auf das Serienformat Formular nur noch von Pessimist:innen prophezeit wird: Die Kontingenz bricht als scheint’s unhintergehbare Größe doch herein. Aus »Tuttle« wird durch den Einschlag des Insekts »Buttle«; mit bekanntlich verheerenden Folgen. Kafka hatte im Roman Das Schloss noch den Vorsteher darlegen lassen, dass alle Behörden zugleich Kontrollbehörden seien:
Es ist ein Arbeitsgrundsatz der Behörde, [—] dass mit Fehlermöglichkeiten überhaupt nicht gerechnet wird. Dieser Grundsatz ist berechtigt durch die vorzügliche Organisation des Ganzen und er ist notwendig, wenn äusserste Schnelligkeit der Erledigung erreicht werden soll. […] Ob es Kontrollbehörden gibt? Es gibt nur Kontrollbehörden. Freilich, sie sind nicht dazu bestimmt, Fehler im groben Wortsinn herauszufinden, denn Fehler kommen ja nicht vor und selbst wenn einmal ein Fehler vorkommt, wie in Ihrem Fall, wer darf denn endgiltig sagen, dass es ein Fehler ist.
Kafka, Schloss-Heft 1, S. 36v [FKA]
Damit wäre auch die Fliege in Brazil keine Störung und behördlicherseits die Kontingenz beim Eintrag in ein Formularfeld ausgeschlossen, einfach weil es einen Process gibt, der in jedem Fall an- und für sich geordnet abläuft. Soweit die Sicht auf die Oberflächen, der digitale Witz mit seinen Verknüpfungen und Algorithmen spielt sich darunter ab. Die Verwaltung erscheint in so einer Vorstellung als Daten-Gargantua mit exzellentem mechané-Fuhrpark. Die – noch! – notwendigen Eingriffe mittels unterschiedlich kompetenter techné der geforderten Ausfüllenden, die in diesen Schnittstellen ihre je individuellen Ansprüche verhandeln, stören notwendigerweise den Produktionsablauf, den administrativen Rhythmus. Derart stetig wiederkehrende Problemlagen an den Schnittstellen zu eliminieren, scheint im Zuge der Anwendung von Möglichkeiten der Digitalisierung sowie Änderung einiger Rechtsvorschriften von wegen Datenschutz möglich. Dann wären wir tendenziell wieder bei einem mehrheitlich geschlossenen System. Am Anfang stand die Liste, am Ende steht der ubiquitäre Datensatz. Dazwischen putze man mit dem Shaker-Besen eine Gesellschaft regelkonform über den Kasernenhof. »Every force evolves a form«. (Vgl. auf der Suche nach der verlorenen Form Kemp 2019)
Das Tempus des Formulars ist die Vorzukunft, seine Tableaus sind durch die Algorithmen der Datenkontrolle und -verwertung bedingt. Futur exakt.