Der fleißige Philipp und der faule Fritz [S. 1–3]
Nichts greift die Nerven derart an
Wie so ein zäher Vordermann,
Der, längst schon reif am Baum der Zeit,
Nicht weichen will in Ewigkeit.
Der trotz des Nachmanns Wehgeheule
Im Status ragt gleich einer Säule
Und unverfroren und entartet
Noch ruchlos auf Quinquennien wartet.
Da haben es die Menschenfresser
In diesem Fall erheblich besser:
Steht so ein alter Kannibale
Im Weg dem jungen Personale,
So wird er von den Kameraden
Zu einem Liebesmahl geladen
Und dient, es ist dies Ehrenpflicht,
Als Jubilar- und Festgericht.
Doch paßt sich dies Verfahren nur
Für schlichte Söhne der Natur,
Die ihren Wunsch in allen Dingen
Naturgemäß zum Ausdruck bringen
Und keinen kleinlichen Bedenken
Der Konvenienz Beachtung schenken.
Bei uns wär, so etwas dagegen
Geeignet, Anstoß zu erregen,
Man muß es also unterlassen
Und schimpfend in Geduld sich fassen,
Da jedes Ding zum Ende strebt,
Vorausgesetzt, daß mans erlebt.
Es wußte von besagten Dingen
Der Philipp auch ein Lied zu singen,
Denn in dem Amte, wo er war,
Saß auch ein altes Exemplar,
Das unentwegt dem Alter trotzte
Und baumfest aut dem Posten knotzte.
Es hatte der Verstand des Alten
Sich zwar im status quo erhalten,
Doch war dies nicht so wunderbar,
Weil er gleich Null von Anfang war,
Sonst aber sah dies alte Haus
Sehr decrepit und schäbig aus,
Und mühsam schien geflickt zu sein
Das morsche, schlotternde Gebein.
Drum nannten seine Widersacher
Ihn lieblos einen alten Kracher.
Er war jedoch nach seiner Meinung
Noch eine rüstige Erscheinung
Und dachte also vorderhand
Noch gar nicht an den Ruhestand.
Einst nun, da ward er ernstlich krank,
Und alles rief schon »Gott sei Dank!«
Doch vierzehn Tage drauf, o weh,
Kam er ins Amts [sic] wie vor und eh
Und sprach mit lächelndem Gesicht:
»So lang ich gehn kann, geh ich nicht.«
Doch der Gevatter kam zuletzt
Der jedem Dienst ein Ende setzt
Und mit der Hippe unentwegt
Uns allesamt ad acta legt:
Der schrieb mit raschem Sensenschwung
»Rekurslos die Erledigung«.
So war denn endlich dauerhaft
Der alte Herr hinweggerafft
Und hinterließ sonst keine Spur,
Als die ersehnte Apretur.
»Nun blüht Dein Weizen, freue Dich!«
Sprach Philipp stillvergnügt zu sich,
Doch ach! er hatte unbedacht
Die Rechnung ohne Wirt gemacht;
Denn leider ist ja immerdar
Der Einschub unberechenbar.
Hier sind besonders jene Größen
Geeignet, Schrecken einzuflößen,
Die neben ihren Geistesgaben
Auch einen großen Anhang haben;
Zum Beispiel: Vettern, Enkelkinder,
Dann Schwiegersöhne und nicht minder
Die Neffen von den Schwiegertanten,
Nebst anderweitigen Verwandten,
Die, um sich selber zu versorgen,
Das Licht von jener Größe borgen.
Ja selbst das Machtwort der Partei’n
Hilft hier sehr viel, es ist zum Schrei’n!
Die habens alle furchtbar eilig,
Was auch im Grunde ganz verzeilich,
Denn wenn der Große etwa fällt,
So sind sie selber kalt gestellt.
Drum, kaum ist eine Stelle frei,
Beginnt die große Rennerei,
Die leider oft als Resultat
Den Einschub im Gefolge hat.
So ward dem Philipp auch von »oben«
Ein solches Wesen vorgeschoben.
Der Mann, verschweigen läßt sich’s nicht,
War zwar kein großes Kirchenlicht,
Und auch das positive Wissen
Ließ er fast überall vermissen,
Doch dieser Mangel ward mit Pracht
Durch Connexionen wettgemacht.
Bedeutungsvoll am hohen Orte
Sprach man die inhaltsreichen Worte:
»Er ist ein braver junger Mann,
Der sicher großes leisten kann
Und leisten wird unzweifelhaft,
Wenn man den Wirkungskreis ihm schafft;
Doch dürfte es sich kaum empfehlen,
Mit Kleinigkeiten ihn zu quälen,
Und dieserhalben muß man eben
Ihm eine Kraft zur Seite geben,
Daß er, des Handwerks überhoben,
Das Ganze überblickt von oben.
Drum wird man nicht ermangeln können,
Ihn unbedenklich zu ernennen,
Der Philipp aber soll ihm ein
Erfahrener Gehilfe sein.«
Und so geschah ’s. Der junge Mann
Trat ganz naiv den Posten an:
Das Amt, das hatt‘ er vorderhand,
Und Philipp hatte den Verstand.
Und siehe da! Es ging famos,
Der Philipp zog gleich einem Roß,
Der andr’e aber sah in Ruh‘
Von seinem höhern Standpunkt zu.
Und ehe noch ein kurzes Jahr
Im Strom der Zeit verflossen war,
Da war des neuen Mannes Ruhm
Ein unantastbar Heiligtum.
Und salbungsvoll am hohen Orte
Da sprach man die gewichtigen Worte:
»Ei schau, wer hätte das gedacht,
Daß sich der Mann so prächtig macht?
Den muß man nun vor allen Dingen
So rasch als möglich vorwärts bringen.«
Da seht nun liebe Kinder, seht,
Wie’s oft in diesem Leben geht:
Durch Philipps Unverdrossenheit
Bracht’ es gedachter Mann so weit;
Das war, merkt Kinder, diese Lehre,
Für Philipp eine große Ehre.
Darum seid fleißig Tag und Nacht,
Bis ihr es auch dahin gebracht.
Der Schieber [S. 7–12]
Die Einberufung [S. 13–17]
Fritz »oben« [S. 18–25]
Philipps Erhöhung [S. 26–31]