M. Webers Bürokratismus

Das Fähnlein der Maschinen- und Apparatmetapher für die Regelhaftigkeit des Verwaltungsbetriebs webten maßgeblich Max und Alfred Weber. Luhmann würde dieses späterhin gerne auflösen, neu spinnen.

Max Weber: [Bürokratismus.] In: Wirtschaft und Gesellschaft, Teilband 4: Herrschaft. Tübingen: Mohr 2009, S. 12–45

Der Beitrag definiert zunächst, einleitend, die spezifische Funktionsweise des modernen Beamtentums. Späterhin weiter wie folgt:

Der entscheidende Grund für das Vordringen der bürokratischen Organisation war von jeher ihre rein technische Überlegenheit über jede andere Form. Ein voll entwickelter bürokratischer Mechanismus verhält sich zu diesen genau wie eine Maschine zu den nicht mechanischen Arten der Gütererzeugung. Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Ersparnisse an Reibungen, sachlichen und persönlichen Kosten sind bei streng bürokratischer, speziell: monokratischer Verwaltung durch geschulte Einzelbeamte gegenüber allen kollegialen oder ehren- und nebenamtlichen Formen auf das Optimum gesteigert. Sofern es sich um komplizierte Aufgaben handelt, ist bezahlte bürokratische Arbeit nicht nur präziser, sondern im Ergebnis oft sogar billiger als die formell unentgeltliche ehrenamtliche. Ehrenamtliche Tätigkeit ist Tätigkeit im Nebenberuf, funktioniert schon deshalb normalerweise langsamer, [ist] weniger an Schemata gebunden und formloser, daher unpräziser, uneinheitlicher, weil nach oben unabhängiger, diskontinuierlicher und schon infolge der fast unvermeidlich unwirtschaftlicheren Beschaffung und Ausnutzung des Subaltern- und Kanzleiapparats auch oft faktisch sehr kostspielig. 

Max Weber: [Bürokratismus.] In: Wirtschaft und Gesellschaft, Teilband 4: Herrschaft. Tübingen: Mohr 2009, S. 12–45, hier: 24f.

Vgl. im Anschluss, in der Fortführung: Rechtsprechung. Und danach:

Eine einmal voll durchgeführte Bürokratie gehört zu den am schwersten zu zertrümmernden sozialen Gebilden. Die Bürokratisierung ist das spezifische Mittel, [einverständliches] »Gemeinschaftshandeln« in rational geordnetes »Gesellschaftshandeln« zu überführen. Als Instrument der »Vergesellschaftung« der Herrschaftsbeziehungen war und ist sie daher ein Machtmittel allerersten Ranges für den, der über den bürokratischen Apparat verfügt. Denn unter sonst gleichen Chancen ist planvoll geordnetes und geleitetes »Gesellschaftshandeln« jedem widerstrebenden »Massen«- oder auch »Gemeinschaftshandeln« überlegen. Wo die Bürokratisierung der Verwaltung einmal restlos durchgeführt ist, da ist eine praktisch so gut wie unzerbrechliche Form der Herrschaftsbeziehungen geschaffen. […] Die Gebundenheit des materiellen Schicksals der Masse an das stetige korrekte Funktionieren der zunehmend bürokratisch geordneten privatkapitalistischen Organisationen nimmt stetig zu, und der Gedanke an die Möglichkeit ihrer Ausschaltung wird dadurch immer utopischer. Die »Akten« einerseits und andererseits die Beamtendisziplin, d.h. [die] Eingestelltheit der Beamten auf präzisen Gehorsam innerhalb ihrer gewohnten Tätigkeit, werden damit im öffentlichen wie privaten Betrieb zunehmend die Grundlage aller Ordnung. Vor allem aber – so praktisch wichtig die Aktenmäßigkeit der Verwaltung ist – die »Disziplin«. Der naive Gedanke des Bakuninismus: durch Vernichtung der Akten zugleich die Basis der »erworbenen Rechte« und die »Herrschaft« vernichten zu können, vergißt, daß unabhängig von den Akten die Eingestelltheit der Menschen auf die Innehaltung der gewohnten Normen und Reglements fortbesteht.

Max Weber: [Bürokratismus.] In: Wirtschaft und Gesellschaft, Teilband 4: Herrschaft. Tübingen: Mohr 2009, S. 12–45, hier: 34f.