1622 errechnete Pierre Guldin (Problema arithmeticum de rerum combinationibus), wie viele Wörter man mit den damals gebräuchlichen 23 Buchstaben des Alphabets bilden könnte, wenn man sie zu zwei und zwei, zu drei und drei und so weiter zusammenstellte bis hin zu Wörtern mit 23 Buchstaben. Er kümmerte sich nicht darum, ob die generierbaren Wörter einen Sinn hatten oder aussprechbar waren, und er kam auf eine Zahl von über siebzigtausend Milliarden Milliarden (um die zu schreiben eine Million Milliarden von Milliarden Buchstaben erforderlich waren). Wollte man all diese Wörter in Hefte mit 1000 Seiten schreiben, die 100 Zeilen pro Seite und 60 Buchstaben pro Zeile haben, würde man 257 Millionen Milliarden Hefte dieses Umfangs benötigen; und wollte man sie unter Verwendung von Kuben von jeweils 133 Meter pro Seite in einer Bibliothek aufstellen, die 32 Millionen Bände fassen kann, so würde man 8 052 122 350 Bibliotheken benötigen. Aber welches Reich könnte so viele dieser Gebäude fassen? Auf der gesamten Erdoberfläche würden nur 7 757 213 799 Platz finden!
Die gleiche kombinatorische Leidenschaft hatte Marin Mersenne (Harmonie universelle, 1636) dahin gebracht, nicht nur die aussprechbaren Worte auf Französisch, Griechisch, Hebräisch, Arabisch, Chinesisch und jeder anderen möglichen Sprache in Betracht zu ziehen, sondern auch die möglichen musikalischen Sequenzen. Mersenne weist nach, dass zur Aufzeichnung sämtlicher generierbarer Gesänge mehr Ries Papier benötigt würden als man braucht, um den Abstand zwischen der Erde und dem Himmel zu überwinden, auch wenn ein Blatt 720 Gesänge von je 22 Noten fassen könnte und wenn jedes Ries so stark zusammengepresst würde, dass es nur noch 2,5 Zentimeter hoch ist. Die mit 22 Noten generierbaren Gesänge sind mehr als 12 000 Milliarden Milliarden; teilt man diese Zahl durch 362 880, die auf einem Ries Platz finden, würde man immer noch auf eine sechzehnstellige Zahl kommen, während die Anzahl Zentimeter, die zwischen der Erde und dem Himmel liegen, nur eine vierzehnstellige Zahl ist. Und wenn man all diese Gesänge aufschreiben wollte, tausend am Tag, würde man dafür fast 23 Millionen Jahre brauchen.
In seinem kurzen Text Horizon de la doctrine humaine hat sich auch Leibniz gefragt, welches die größtmögliche Zahl an Sätzen sei, wahr, falsch oder gar unsinnig, die man mit einem Alphabet aus 24 Buchstaben bilden könne. Da man auch Wörter mit 31 Buchstaben bilden kann (wofür Leibniz im Griechischen und Lateinischen Beispiele findet), kann man mit dem Alphabet 2432 Wörter mit 31 Buchstaben bilden. Aber wie lang kann ein Satz sein? Wenn man davon ausgeht, dass ein Mensch 100 Seiten am Tag liest und jede Seite 1000 Buchstaben enthält, und da man sich sogar Sätze vorstellen kann, die ein ganzes Buch lang sind, beträgt die Summe der wahren oder falschen Sätze, die ein Mensch im Lauf seines Lebens lesen kann, 3 650 000 000. Selbst wenn dieser Mensch tausend Jahre lang lebte, wird der längste aussprechbare Satz oder das dickste Buch, dass er lesen kann, aus 3 650 000 000 0001 Buchstaben bestehen, und die Zahl sämtlicher wahren oder falschen Sätze, ob lesbar, aussprechbar oder unaussprechbar, sinnvoll oder nicht, würde 243650000000001 betragen.
Umberto Eco: Die unendliche Liste. Aus dem Italien. v. Barbara Kleiner. München: Hanser 2009, S. 366–369